Hören in Räumen

Welchen Einfluss haben bauliche Gegebenheiten und raumakustische Maßnahmen auf die Hörsamkeit eines Raumes?

Bauliche Gegebenheiten und raumakustische Maßnahmen haben erheblichen Einfluss auf die Hörsamkeit. Welche, erfahren Sie in unserem Basiswissen rund um Raumakustik, Beschallung und innovative Akustik-Materialien!

Beschallung-1

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Inhalt dieses Grundlagen-Artikels:


Ein Raum, in dem wir (zu-)hören, hat in der Regel einen Zweck: Es ist zum Beispiel ein Konferenzraum, ein Hörsaal, ein Büro, eine Kirche oder ein Konzertsaal. Ist die Beschallung gut und empfinde ich das Hören als mühelos in dem betreffenden Raum oder muss ich mich anstrengen? Erreicht mich die Botschaft klar und deutlich oder habe ich das Gefühl, dass ich mich stark konzentrieren muss? Ist der Raum also „hörsam“? Wie wirken sich bauliche Gegebenheit auf die Hörsamkeit aus? Wie kann man mit baulichen Maßnahmen und aktuellen Baumaterialien die Qualität der Hörwahrnehmung optimieren?

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Hörsamkeit

Hörsamkeit bezieht sich auf die Verständlichkeit von Informationen, von Schallereignissen, die in einem Raum kommuniziert werden sollen. Skalen, die diesbezüglich eine genaue Bewertung ermöglichen gibt es nur für Sprache. Die Qualitäts-Parameter STI – Speech Transmission Index – und Alcons kombinieren mehrere einzelne Raumparameter zu einer Gesamt-Aussage. STI gilt allgemein als wichtigste Bewertung und ist auch mit dem Simulations-System EASE nachvollziehbar. Das Ergebnis entsteht unter anderem aus den Faktoren Raumvolumen, Nachhallzeit, Hallradius, Distanz zwischen Schallquelle und Hörer und Richtcharakteristik der Schallquelle.

 

 

Alcons steht für „Articulation Loss of Consonants“, also den Artikulationsverlust für Konsonanten. Beschrieben werden dieselben Kriterien wie bei STI, die Darstellung ist aber anders skaliert. Nicht berücksichtigt werden bei den beiden Verfahren Störgeräusche.

Tabelle

Eine gute Sprachverständlichkeit erwartet man von Unterrichts- und Konferenzräumen, Vorlesungs- und Seminarräumen und von Sprechtheatern. Der Anteil des Direktschalls soll möglichst hoch sein. Wenn sogenannte frühe Reflexionen aus der Richtung des Sprechers kommen, unterstützt das die Ortung und erleichtert die Konzentration auf den Sprecher. Frühe Reflexionen oder sogar Echos aus dem rückwärtigen Teil des Raumes lenken dagegen ab. Der Nachhall sollte möglichst nicht länger als 1,0 s sein. Hat ein Raum dieses ideale akustische Verhalten, hebt er praktisch die Lautstärke des Vortragenden an. Ein geübter Redner wird sich in so einem Raum auch ohne Verstärkung verständlich machen können.

Prinzipieller Schalldruckverlauf
Prinzipieller Schalldruckverlauf an einem beliebigen Ort in einem Raum bei Anregung mit einem Schallimpuls. Rot: Direktschall, Grün: Frühe Reflexionen, Blau: Nachhall (Zeichner/Quelle: Skyhead at de.wikipedia )

„In Schulen, Hörsälen und Kindergärten begegnen wir dem Zusammenhang von Sprachverständlichkeit und Konzentration“, erklärt Stefan Mathias von hmpartner.de. „Es gibt inzwischen wissenschaftliche Studien über Zusammenhänge von Verständlichkeit, Merkfähigkeit einerseits und Ermüdungserscheinungen andererseits. Zu diesem Thema gehört unter anderem auch die Erkenntnis: Je besser die Verständlichkeit umso geringer kann die Lautstärke sein.“ Während es also in Räumen dieser Art um gute Lokalisation und bestmögliche Verständlichkeit einer einzelnen Schallquelle geht, erwartet man von einem klassischen Konzertsaal ein räumliches, „einhüllendes“ Erlebnis. Direktschall und Reflexionen sollen in diesem Sinne ein ausgewogenes Verhältnis haben, und das möglichst auf allen Sitzplätzen. Man möchte die Performer visuell und gehörmäßig lokalisieren können, gleichzeitig aber auch die umhüllende „Wolke“ des Konzertsaals spüren.

Raummoden
Raummoden (Stehende Wellen) zwischen zwei parallelen, reflektierenden
Wänden. (Quelle: One work, Christophe
Dang Ngoc Chan)

Für dieses Gefühl von Wolke ist der Nachhall zuständig; er beträgt in moderneren Konzertsälen 1,8 bis 2,2 s, meist mit noch längeren Abklingzeiten in den Tiefen. Einige historische Konzertsäle, die für romantische Musik gebaut wurden haben Nachhallzeiten bis zu etwa 3 s. In Kirchen hat Lokalisation keine Priorität, die Musik soll diffus im Raum schweben, Nachhallzeiten von 5 s und länger empfindet man als passend.

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Die wichtigsten Parameter von Raumakustik

Nachhall (Hall) ist also der wichtigste Parameter für die akustische Definition eines Raumes. Nachhall besteht zunächst aus den so genannten frühen Reflexionen. Ihr Muster und ihre Dichte sind abhängig von der Vielzahl und Struktur bzw. Architektur der Flächen, die einen Raum begrenzen oder unterteilen. Die frühen Reflexionen informieren das Gehör über die Größe des Raumes, in dem wir uns befinden. Was wir landläufig mit Nachhall bezeichnen, ereignet sich genau genommen nach den frühen Reflexionen, setzt also mit einer gewissen Zeitverzögerung ein. Es ist die diffuse Phase des Nachhalls.

Diffusität ist also ein weiterer Sub-Parameter. Ein Raum mit glatten Begrenzungsflächen (z. B. ein Tunnel) erzeugt weniger Diffusität als ein vielfach unterteilter oder verschachtelter Raum. Empfindet man einen Raum für Musikdarbietungen als zu wenig diffus, kann man versuchen, diese Eigenschaft durch so genannte Diffusoren zu steigern.

Der hintere, aus Glas bestehende Teil dieses Auditoriums ist in seiner akustischen Wirkung mit einem Trichter vergleichbar. Er strahlt die gebündelte Schallenergie in alle Richtungen zurück – das ergibt ungünstige Voraussetzungen für die Sprachverständlichkeit. (Abbildung: Archiv NH consult)
Der hintere, aus Glas bestehende Teil dieses Auditoriums ist in seiner akustischen Wirkung
mit einem Trichter vergleichbar. Er strahlt die gebündelte Schallenergie in alle Richtungen zurück – das ergibt ungünstige Voraussetzungen für die Sprachverständlichkeit. (Abbildung: Archiv NH consult)

Die von einer Schallquelle direkt abgegebene Energie bezeichnet man als Direktschall, den vom Raum zurückgeworfenen Anteil als diffusen Schall. Direkter und diffuser Schall überlagern sich. Bei zunehmender Entfernung zur Schallquelle wird der Anteil des diffusen Schalls größer. In einem bestimmten Abstand zur Schallquelle, dem so genannten Hallradius sind die Schalldruckpegel von direktem und diffusem Schall gleich groß. Innerhalb des Radius dominiert der Direktschall, der gleichzeitig auch eine Information über die Position der Schallquelle vermittelt. Außerhalb des Hallradius überwiegt der diffuse Schall.

Von einem Echo spricht man, wenn das verzögerte Signal vom Original-Signal abgesetzt wahrnehmbar ist. Je nachdem, ob das Ereignis kurz und perkussiv ist oder z. B. mehr einem lang gehaltenen Geigenton entspricht, kann dieser Wert zwischen 35 und 100 Millisekunden oder auch darüber liegen. Wenn man zwischen zwei parallel verlaufenden Begrenzungsflächen (Decke – Boden, Wand – Wand) in die Hände klatscht, entstehen sogenannte Flatterechos, weil das Signal mehrfach hin- und herreflektiert wird. Flatterechos sind sehr störend, sie erschweren die Verständlichkeit. Durch nichtparallele Wände und Decken kann man sie von vornherein vermeiden. Lässt sich das nicht realisieren, wird den Schallwellen mit Absorbern oder Resonatoren Energie entzogen.

Elektroakustische Simulation
Elektroakustische Simulation des Auditoriums mit Direktschallpegel und Indirektschallpegel (Abbildung: Archiv NH consult)

Wird ein Raum sinnvoll bedämpft, hat man einen ausgewogenen Frequenzverlauf und gleichzeitig ein lebendiges Klangerlebnis. Zu starke Bedämpfung mit porösen Absorbern kann einen Raum dumpf klingen lassen. Zu starke Bedämpfung von tieffrequenten Anteilen kann zu einem „dünnen“ Raumklang führen. Zwischen parallelen Wänden und Decken bilden sich auch die so genannten Stehenden Wellen oder Raummoden. Für ihre Vermeidung gilt dasselbe wie bei den Flatterechos, allerdings braucht man für tiefe Frequenzen relativ großvolumige bzw. dicke Absorber oder Spezialkonstruktionen, die Schallenergie in definierten Frequenzen, also bestimmten Wellenlängen, durch elastische Membran-Schwinger eliminieren.

Mit Raum-Simulation in CAD-Verfahren wie zum Beispiel EASE lassen sich zu Planungs- und Designzwecken Räume inzwischen recht zuverlässig simulieren. Man kann vorab errechnen, welchen Nachhall der Raum bei welchen Begrenzungsflächen und Baumaterialien haben wird, wo (störende) Reflexionen bzw. Echos zu erwarten sind und wie voraussichtlich die „Klangfarbe“ des Raumes sein wird. Entsprechend kann man den Raum zeichnen und die Materialien auswählen.

Von Norbert Hönig, Planer bei nhconsult.org, stammt das Beispiel eines Auditoriums: Es hat eine ungewöhnliche Bauform. Der hintere, aus Glas bestehende Teil ist in seiner akustischen Wirkung einem Trichter oder einem Parabolspiegel vergleichbar: Er strahlt die gebündelte Schallenergie in alle Richtungen zurück. Das ergibt ungünstige Voraussetzungen für die Sprachverständlichkeit. Daher war eine elektroakustische Simulation zwingend erforderlich, um verlässliche Angaben zur Auslegung der Beschallungstechnik zu erhalten.

Auf Basis der Simulation wurden dem Architekten die erforderlichen raumakustischen Maßnahmen vermittelt. Die Empfehlung war, zusätzliche mobile, akustisch wirksame Wände einzuziehen und somit die schallharte Glasfassade zu absorbieren.

Beispiel einer Projektionsleinwand
Beispiel einer Projektionsleinwand mit integriertem Akustik-Absorber und Lautsprechertechnik
(Bild: Sono)

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Acoustic Treatment: Panels

Sichtbeton und Glas erzeugen eine „unkontrollierte“ Akustik. Traditionelle Mittel, z. B. zur Reduzierung des Nachhalls, waren in der Vergangenheit meist schwere Vorhänge oder Absorber, die nach einem technisch-funktionalen Design angefertigt waren und meist nicht besonders attraktiv aussahen. Das hat sich in den letzten Jahren geändert. Zum Beispiel lassen sich in die Raumgestaltung Bilder einbringen, die auf einem Absorber aufgezogen sind, und die vielleicht Unternehmens-Motive zeigen oder Dinge, die einen Bezug zur CI des Unternehmens haben.

Man kann ein Paneel als Projektionsfläche nutzen, oder durch Beleuchtung ein bestimmtes Ambiente erzeugen. Es werden Absorber-Elemente (Paneele) angeboten, in die sich Lautsprecher einbauen lassen. Wie diese Paneele dimensioniert werden müssen und aus welchem Material sie zweckmäßigerweise bestehen, lässt sich berechnen, ebenso der Ort, an dem sie effektiv angebracht werden. Die Vielfalt ist inzwischen groß, und es gibt zahlreiche Speziallösungen.

 

Absorber mit Textilbespannung
Absorber mit an die Wand angepasster Textilbespannung (Bild: Sono)

Ein Quadratmeter Akustikmaterial kostet etwa 30 bis 50 % mehr als etwa eine glatte Wand. Und weil Kosten bei Hörsälen Priorität haben werden sie meist mit „harten“ Materialien gebaut. Auch hier sind nachträgliche Paneele oft die ideale Lösung. An das Design werden keine allzu großen Anforderungen gestellt. Für große Stadien gibt es inzwischen Absorber in Wurst- oder Tonnen-Form, die sich vertikal oder horizontal anordnen lassen und die eine größere Oberfläche haben als eine aufgehängte Platte.

„Für die akustische Nachbesserung von bestehenden Bauten gibt es tatsächlich seit einiger Zeit neue Möglichkeiten“ sagt Norbert Hönig, „Möglichkeiten, bei denen man baulich nicht zwingend eingreifen muss. Ich kann zum Beispiel ein Absorber-Paneel von der Größe, der Form und den Materialien auf das zu lösende akustische Problem genau berechnen und abstimmen. In der Praxis geht es ja oft nur um bestimmte Frequenzen, die störend reflektieren, und die ganz oder teilweise geschluckt werden sollen.“

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Multifunktionale Räume

Multifunktionale Räume sind immer eine besondere Anforderung, nicht nur für Architekten, sondern für alle Gewerke, die am Bau beteiligt sind. Gibt es den Universalraum, der sowohl gute Sprachverständlichkeit als auch ein gutes räumliches Musikerlebnis bietet? Es gibt ihn natürlich nicht, und man hilft sich immer mit mehr oder weniger improvisierten Maßnahmen: Schwere Vorhänge kommen im Konzertsaal zur Anwendung wenn ein Vortrag gehalten wird, zusätzliche Reflexionsflächen werden in Vortragsräumen aufgebaut, wenn Musikdarbietungen anstehen.

Seit rund zehn Jahren hat man auch Erfahrungen mit der elektroakustischen Konditionierung von Räumen, überwiegend von Theatern und Konzertsälen. Elektroakustische Konditionierung heißt hier: Mittels einer Vielzahl von Lautsprechern, die überwiegend an den Wänden angebracht sind und einer Vielzahl von Mikrofonen, die mit diesen Lautsprechern über Matrizen – mit oder ohne Soundeffekte – verschaltet sind kann man den Raum voluminöser erscheinen lassen. Verkleinern kann man ihn mit Lautsprechern natürlich nicht.

Ein bekannter deutscher Konzertsaal wurde vor Jahren mit einer Anlage ausgestattet, die als „Hardware“ 48 Raum-Mikrofone und 96 Lautsprecher verwendet und miteinander über eine Matrix so in Beziehung setzt, dass für bestimmte musikalische Stilrichtungen der Raum um einige Kubikmeter „erweitert“ wird.

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Kommentare zu diesem Artikel

  1. Erst einmal vielen Dank für die kompetente Darstellung des Sachthemas.

    Allerdings kann ich nicht mit dieser Aussage einverstanden sein “In Kirchen hat Lokalisation keine Priorität, die Musik soll diffus im Raum schweben, Nachhallzeiten von 5 s und länger empfindet man als passend.”

    Dies trifft vielleicht für die Kirchenmusik zu, allerdings ist die sprachliche Darbietung der Predigt noch immer ein zentrales Anliegen in der Kirche. Bei 2sek bei einer Dorfkirche bis sogar zu 15sek Nachhallzeit im Kölner Dom ist schon für guthördende Besucher trotz moderner DSP mit Line-Arrays das Verstehen mühsam, oft liegt der STI in Kirchen für Guthörende bei einem gutartikulierenden Sprecher nur bei etwa 0,5.

    Etwa die Hälfte der typischen Kichenbesucher kann als schwerhörig betrachtet werden. Für Schwerhörige ist ein Verstehen unter diesen Bedingungen kaum möglich. Bei Schwerhörigen ist das räumliche Hörvermögen eingeschränkt bis zu garnicht mehr vorhanden. Ihnen gelingt also die Trennung zwischen Direktschall einerseits und andererseits Diffus- und Störschall nicht mehr, was den STI nochmals erheblich reduziert.

    Richtig beschrieben wird der Zusammenhang von Sprachverständlichkeit und Ermüdungserscheinungen. Und so sind praktische Erfahrungen von Schwerhörigen, dass schon nach einer viertel Stunde Predigt der “Akku” leer ist.

    Die einzige Chance für Schwerhörige in Räumen mit Nachhallzeiten größer 0,5s(!) gut zu verstehen, ist die Nutzung einer Höranlage. Die einzige derzeitig verfügbare barrierefreie Höranlagentechnik ist die induktive Technik. Die Funk-, DECT-, Infrarot- oder WLAN-Techniken sind nicht barriefrei, weil sie immer Zusatzgeräte benötigen. Die momentan verfügbare Bluetooth-Technik ist überhaupt nicht Höranlagen-tauglich, weil nur 2 Teilnehmer versorgt werden könnten und die Latenzzeit zu hoch ist. Erst die zuküftige Bluetooth-Version 5.2 (BLE Audio) hätte das Potential, aber es kommt auf die zukünftigen praktischen Implementierungen an. Aber auch sie wird auf alle Fälle komplizierter zu nutzen sein als die induktive Technik. Während die induktive Technik auf einfachen Knopfdruck genutzt werden kann, setzt die BLE Audio-Technik ein noch nicht existentes Hörgerät mit BLE Audio sowie ein aktuelles Smartphone mit propritärer App voraus, sie ist also nichts für unsere älteren Mitmenschen.

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