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Auracast im Check: Wo steht die Technologie heute

Auracast ist aktuell eines der spannendsten Themen in der Audio- und Systemintegration. Der neue Bluetooth-Broadcast-Standard verspricht flexible, skalierbare und barrierefreie Audioübertragung für Bildungsräume, Konferenzumgebungen, den öffentlichen Verkehr, Stadien oder Entertainment-Locations. In der neuen Episode von AVcon Pulse ordnet Dirk Zimmermann, Business Development Manager bei MIPRO, den Status der Technologie ein und erklärt, warum 2026 ein entscheidendes Jahr werden dürfte.

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Von Bluetooth Classic zu LE Audio – und schließlich Auracast

Bluetooth hat seit 1998 einen langen Weg hinter sich. Mit der Version 5.2 und dem LC3-Codec wurde LE Audio eingeführt – die Grundlage für Auracast. Der entscheidende Schritt: Auracast ermöglicht Broadcast-Audio statt Punkt-zu-Punkt-Verbindungen. Damit lassen sich Veranstaltungen, Vorträge oder Informationen direkt an beliebig viele kompatible Geräte übertragen.

So funktioniert Auracast in der Praxis

Der Ablauf ist einfach: Ein Sender stellt einen Broadcast bereit, Endgeräte empfangen diesen direkt – ohne Smartphone als Übertragungsstation. Per QR-Code oder Kanalwahl verbinden sich Nutzerinnen und Nutzer mit dem Stream. Kopfhörer, In-Ear-Systeme und zunehmend auch Hörgeräte unterstützen diese Technologie bereits.

Reichweiten: Von Stadien bis Freiflächen

Tests zeigen, dass moderne Auracast-Sender im Freifeld bis zu 400 Meter erreichen können. In Innenräumen hängen die Werte von baulichen Gegebenheiten ab, bleiben aber in der Regel deutlich über klassischen Bluetooth-Distanzen.

Erste großflächige Einsatzgebiete

Die Technologie kommt längst im Alltag an. Beispiele aus dem Gespräch:

  • Münchner Otto-Steiner-Schulen: 84 Klassenräume, jeweils mit Auracast-Sendern ausgestattet.
  • Karlsruher Institut für Technologie: Hörsäle erhalten Auracast-Unterstützung.
  • ÖPNV: München hat 90 neue S-Bahnen bestellt – alle sollen Auracast nutzen.
    Auch Kongressformate profitieren zunehmend, da viele Besucher mit kompatiblen Geräten anreisen.

Barrierefreiheitsstärkungsgesetz schafft zusätzliche Dynamik

Das Gesetz, das seit Juni 2025 gilt, verpflichtet zahlreiche Dienstleister und Produktanbieter, barrierefreie Lösungen anzubieten – auch im auditiven Bereich. Flughäfen, Busse, Bahnhöfe, öffentliche Einrichtungen und viele weitere Orte müssen in Zukunft entsprechende Technologien bereitstellen. Auracast kann hier zu einer zentralen Lösung werden.

Wie schnell verbreitet sich Auracast wirklich?

Marktzahlen aus dem Bluetooth-Umfeld zeigen eine klare Richtung:

  • 450 Millionen LE-Audio-fähige Kopfhörer sind bereits im Umlauf.
  • Bis 2028 sollen es 3 Milliarden kompatible Audiogeräte sein.
  • 90 % aller Smartphones unterstützen voraussichtlich bis 2027 LE Audio.
  • Erste Hörgerätehersteller schalten Auracast bereits frei.

Auracast wird damit kein Nischenthema bleiben, sondern ein Massenmarkt.

Relevanz für Planer und Integratoren

Laut Zimmermann sollte Auracast heute bereits fester Bestandteil der technischen Planung sein. Viele Normen (z. B. DIN 18041) fordern barrierefreie Hörunterstützung – statt Schleifenverlegung könnte künftig ein Sender ausreichen. Zudem sinkt der Installationsaufwand erheblich.

Ausblick auf die ISE 2026

Zur nächsten ISE erwartet Zimmermann unter anderem:

  • hybride Systeme (Schleifenverstärker + Auracast in einem Gerät)
  • vernetzte Auracast-Sender für große Räume
  • mobile Empfänger und Sender
  • Lade- und Netzwerkstationen für Campus-Installationen
  • Simulationssoftware zur Planung von Senderanzahl und Abdeckung

Fazit

Auracast wird die Audio-Übertragung in den nächsten Jahren grundlegend verändern. Die Technologie ist praxistauglich, gesetzlich relevant und in ersten Branchen bereits angekommen. Mit den kommenden Produktgenerationen dürfte sich die Verbreitung deutlich beschleunigen.

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Kommentar zu diesem Artikel

  1. Hier sind ein paar Anmerkungen und Korrekturen notwendig:

    Die Reichweite von Auracast beträgt nicht 400m, sondern laut Bluetooth-SIG ist es gerade einmal ein Umkreis von etwa 30m (https://www.bluetooth.com/blog/answers-to-commonly-asked-questions-about-auracast-broadcast-audio/?utm_source=hearingtracker.com „What is the range of an Auracast™ broadcast?“: Antwort 30.000 square feet, das entspricht einem Kreisradiues von weniger als 30m). Diese 30m werden auch noch bei Wettereinfluss erheblich reduziert. Die 400m stammen wohl von einem Versuch mit einem hochempfindlichen Empfänger in einem störungsfreiem Gebiet in den USA und stellen den Durchmesser, nicht den Radius des Sendekreises dar. In den USA sind übrignes 100mW (+20dBm) Sendeleistung zulässig, in der EU jedoch nur 10mW (+10dBm). Auch nachzulesen im Datenblatt der professionellen Transmitter. Um also größere Bereiche wie Flughäfen, Bahnhöfen etc. abzudecken, sind riesige Netzwerke von Transmittern notwendig.

    Auracast ist entgegen der Behauptung nicht barrierefrei, es wird immer ein Smartphone benötigt, um das Empfangsgerät (Kopfhörer, Lautsprecher oder Hörsystem) auf den gewünscht Sender/Stream einzustellen. Auch muss über das Smartphone ggf. ein Passwort eingegegeben oder ein Barcode eingescannt werden. §4 Behindertengleichstellungsgesetz definiert die Barrierefreiheit. Er besagt, dass Menschen mit Behinderung nur seine behinderungsbedingten Hilfsmittel mitbringen müssen, alles andere muss vom Einrichtungsbetreiber gestellt werden, und zwar in der üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe.

    Gehbehinderte müssen also nur ihren Rollstuhl/Rollator mitbringen, nicht aber eine Rampe. Blinde nur ihren Blindenstock/Blindenhund, nicht aber eine Hilfsjraft, die Blindenleitlinien verlegt. Und Schwerhörige nur ihre Hörsysteme. Ein Smartphone ist kein behinderungsbedingtes Hilfsmittel, sonst müßte es die Krankenkasse bezahlen. Auch Ausleihen eines Empfangsgerätes ist nicht barrierefrei und widerspricht sogar dem §9 DSGVO (Datenschutzgrundverordnung), ein Zwangsouten als schwerhörig ist ein no-go, denn es verletzt das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung.

    Nicht erwähnt wird übrigens, dass es zwei verschiedene Varianten von Auracast in Hörsystemen gibt, die sich darin unterscheiden, wer wie nach den Sendern/Streams scannt:
    • Fremdscanner: sie benötigen ein Auracast-fähiges Smartphone, das im Bluetooth-Menü den Auracast-Assistenten des Smartphone-Herstellers, der nach Sender/Stream scannt und das Ergebnis visualsiert. Erst nach dann wird das Hörsystem auf den gewünschten Stream geschaltet.
    • Selbstscanner: sie benötigen die Fernsteuer-App des Hörsystem-Herstellers mit einer Auracast-Seite. Hier wird das Hörsystem zum scannen nach Sender/Streams veranlasst und auf dem Smartphone wird das Ergebnis visualisiert.

    Auf dem DSB-Regionaltag in Ulm 2025 war der dort anwesende Auracast-Vertreter nicht in der Lage, meine Auracast-fähigen Hörsysteme auf seinen Auracast-Stream zu schalten. Das sagt wohl alles über die Bedienfreundlichkeit und Barrierefreiheit dieser Technik. Wenn schon ein Auracast-Vertreter dies nicht hinbekommt, wie soll das dann das Hauspersonal eines Vorstadt-Theaters bewältigen oder eine 80-jährige Dame?

    Ein weiteres Problem ist die Latenz des Systems von etwas 30-80ms. Dies führt zu zweierlei negativen Effekten beim Life-Hören in Veranstaltungen:
    • Je nach Hörsystem-Konfiguration gibt Echo und Hall-Effekte, die bekanntlich die Sprachverständlichkeit reduzieren
    • Für Schwerhörige ist das Zwei-Sinne-Prinzip sehr wichtig. Sie ergänzen und korrigieren ihre beeinträchtigte auditive Wahrnehmung durch visuelle Informationen: Mundabsehen, Mimik, Gestik, Körpersprache. Die visuellen Informationen kommen sofort mit Lichtgeschwindigkeit. Wenn nun aber die zugehörigen Buchstaben wegen der Latenz später eintreffen, dann müssen die auseinanderklaffenden Eindrücke müssen erst noch im Gehirn synchronisiert werden. Früher oder später wird ein Kipp-Punkt erreicht und es gelingt nicht mehr. Dann kann der McGurk-Effekt eintreten: stimmen gesehner Buchstabe und gehörter Buchstabe nicht überein, laviert das Gehirn dazwischen und erfinden einen dritten Buchstaben. (Wer es ausprobieren möchte, der schaue die Beispiele auf Youtube unter Stickwort McGurk an.) Dann tritt auch der Kaskadeneffekt ein und das ganze Wort kann nicht mehr entschlüsselt werden, dann der ganze Satz.
    Schwerhörige verstehen nichts mehr, geraten unter gesundheitgefährdendem Hörstress und ziehen sich zurück.

    Und noch ein weiteres Problem hat Auracast: im Gegensatz zu allen anderen Höranlagen-Typen ist es sehr einfach von Hackern mit einem Fake-Sender angreifbar. Der besteht aus einem normalen Notebook, einem USB-Stick für Bluetooth-Entwickler, der zugehörigen Software und ein paar im Internet nachlesbaren Steuerbefehlen. Mithilfe ganz offizieller Bluetooth-Befehlen werden alle Zuhörer vom offiziellen Sender weg auf den Fake-Sender umgeleitet. (https://media.ccc.de/v/38c3-auracast-breaking-broadcast-le-audio-before-it-hits-the-shelves#l=deu&t=1704)

    Und nun kann mithilfe des Fake-Senders durch entsprechende Durchsagen z.B. auf Flughäfen, Bahnhöfen oder öffentlichen Großveranstaltungen Panik ausgelöst werden. Auracast wird wohl deshalb aus Sicherheitsgründen nicht im öffentlichen Bereich eingesetzt werden können.

    Diese meine Einschätzungen und eine Reihe weiterer Probleme von Auracast sind übrigens von einem hochrangigen Ingenieur eines Hörgeräteherstellers mir gegenüber vollumfänglich bestätigt worden. Sie sind auch der Bluetooth-SIG bekannt.

    Ich habe allerdings nichts gegen Auracast als Zweitsystem neben einem tatsächlich barrierefreien und niederschwelligen System wie die Induktions-Technik, denn für das Teilen von Musik ist es durchaus tauglich, denn es ersetzt das Y-Kabel, wie Chuck Sabin (Bluetooth-SIG) sagte.

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