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AVcon-Vortrag

Hörunterstützung und die Auracast-Misere

Der Beschallungsexperte Volker Holtmeyer erklärt am 14. Oktober auf der AVcon in Hamburg, warum der herstellerunabhängige Standard Auracast die perfekte Lösung ist für die Hörunterstützung an öffentlichen Orten, in Theatern, Kinos, Hörsälen und Kirchen. Ab 14.15 Uhr auf der Speakers Corner an Stand A4-B01.

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Die Handhabung von Auracast ist genau so einfach wie die Verwendung einer induktiven Höranlage. Die Fachwelt ist sich daher einig: Auracast wird alle bisherigen Technologien der Hörunterstützung abzulösen. Die Frage ist nicht, ob – sondern wann.

Die Auracast-Misere besteht nun derzeit noch darin, dass sich Schwerhörige, die neue Hörsysteme anschaffen möchten, fragen: Wo kann ich denn schon mit Auracast hören? Und die Betreiber von Veranstaltungsstätten, die Hörunterstützung anbieten möchten, würden gerne wissen: Wer kann denn schon mit Auracast hören?

Volker Holtmeyer ist seit über 20 Jahren als Applikationsingenieur bei Audio Pro tätig und Experte für Beschallungsanlagen jeder Größe. Nach wie vor wird er auch als freier Toningenieur gebucht.

Auf der LEaT con 25 vom 14.–16. Oktober in Hamburg ist die Audio Pro Heilbronn Elektroakustik GmbH vertreten: am Stand A1-B14.

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Kommentare zu diesem Artikel

  1. Die Aussage, Auracast sei genauso einfach zu handhaben wie die Induktionstechnik, entspricht wohl eher einem Wunschdenken als der Realität.

    Für Schwerhörige ist Auracast erheblich schwieriger und aufwändiger zu bedienen als die induktive Hörtechnik. Während es bei Induktion mit ein zwei Tastendrucken am Hörgerät oder der Fernsteuerung getan ist, muss bei Auracast erst eine App auf dem Smartphone aufgerufen werden, nach Streams gescannt und der passende ausfindig gemacht werden. Und erst dann kann auf Auracast umgeschaltet werden.

    Inzwischen gibt es schon zwei Varianten von Auracast in Hörsystemen:
    * Selbstscanner und
    * Fremdscanner
    Die unterscheiden sich darin, ob das Hörsystemen selbst nach den verfügbaren Sendestreams suchen kann oder ob es dafür auf ein Auracast-fähiges Smartphone angewiesen ist. Im ersteren Fall ist der Auracast-Assistent in der App des Hörgeräteherstellers zu finden, im letzteren Fall muss man eines der wenigen Premium-Smartphones besitzen, die den Auracast-Assistenten des Smartphoneherstellers im Bluetooth-Menü besitzen. Unterschiedliche Varianten sind Markt-Killer.

    Von welcher Variante das jeweilige Hörsystem ist, erfährt man weder in der Bedienungsanleitung noch beim Hörakustiker, sondern muss es beim Hersteller-Service ermitteln oder ausprobieren. Schon allein aus der Tatsache, dass ein Smartphone zur Nutzung von Auracast unabdingbar notwendig ist, zeigt, dass Auracast nicht barrierefrei ist, denn es erfüllt die Kriterien des §4 Behindertengleichstellungsgesetzes nicht: der Mensch muss ein nicht behinderungsbedingtes Gerät zur Teilnahme und Teilhabe besitzen, beherrschen und betriebsbereit halten. 80% der Schwerhörigen sind im Rentenalter, etwa die Hälfte besitzen kein Smartphone und beherrschen es auch nicht, viele sogar aus medizinischen Gründen. Müssen die leider draußen bleiben?

    Die Latenz von technisch theoretisch möglichen 30ms über reale 40 bis 80ms ist viel zu hoch für Schwerhörige, die auf Synchronität zwischen Visuellem und Akustischem angewiesen sind. Zu schnell wird vergessen, dass sich die Latenzen der gesamten Übertragungsstrecke addieren: von digitalen Funkmikrofonen (ab 15ms), Mischpult, DSP, Effektgeräte, Auracast (40ms) und dann auch noch das Hörsystem (bis zu 15ms) sind das mehr als 70 ms. Das könnte man keinem Tontechniker anbieten. Warum sollen sich das Schwerhörige antun?

    Oft wird in Werbeaussagen behauptet, die Reichweite eines Auracast-Senders läge bei 100m, manchmal sogar bis zu 400m. Die kann evtl. bei Tests Nachts auf freiem Flugfeld unter besten Bedingungen in den USA/Kanada bei 100mW Sendeleistung erreicht werden. Nicht jedoch im Rest der welt, wo die maximale Sendeleistung auf 10mW begrenzt ist, woraus etwa 30m folgt, so wie die BluetoothSig mit 30.000 SquareFeet bestätigt.

    Da auf Bahnsteigen die Feuchtigkeit (Regen und Nebel) die Sendeenergie erheblich schluckt (Mikrowellenherd-Effekt), sind in großen Hallen wie Flughafen und Bahnhöfen etc. also riesige Sender-Netze mit Maschenweiten von 15m bis 30m notwendig, um überall einen gesicherten Empfang zu haben. Ein Nutzer, der den Bahnsteig entlang eines 200-400m langen ICE mit Gepäck entlangläuft, muss dann alle 30m mithilfe seines Smartphones einen neuen Sender einstellen. Die BluetoothSIG hat keinen Automatismus dafür vorgesehen, da gibt es nur proprietäre Lösungen in Auracast-Handempfängern, z.B. den Ampetronic Auri. Was ist daran also einfache Handhabbarkeit?

    Ein sehr gravierendes Problem ist aber das Problem, dass Auracast-Streams durch Fake-Sender gekapert werden können. Der Choas Computer Club hat im Dezember 2024 **) gezeigt, dass es problemlos möglich ist, alle Zuhörer eines offiziellen Auracast-Streams auf einen Fake-Sender umzuleiten. Dazu sind lediglich ein Notebook, ein käuflich erwerbbarer USB-Stick für Bluetooth-Entwickler, die zugehörige Software und ein paar im Internet nachlesbare Steuerbefehle notwendig. Damit kann also in öffentlichen Bereichen wie Flughäfen, Bahnhöfen, Konzerthallen etc. durch entsprechende Fake-Durchsagen für Panik gesorgt werden. Bei allen bisherigen Höranlagen oder Durchsageanlagen muss das Sendegerät im abgesicherten Technikraum manipuliert werden, bei Auracast reicht der per Smartphone fernsteuerbare Fake-Sender in einer Aktentasche oder Rucksack im Publikumsbereich. Dies wird sicherlich für gewisse ausländische Geheimdienste äußerst interessant sein. Auracast ist also nicht in sicherheitsrelevanten Bereichen einsetzbar.

    Wenn aber Bahnhöfe, Flughäfen und öffentliche Veranstaltungsorte aus Sicherheitsgründen nicht mit Auracast versorgt werden können, dann bleibt als Einsatzbereich nur noch das kleine Fitnesscenter und das private TV und teilen von Musik per Smartphone. Wird sich dafür jemand Auracast-Hörgeräte mit hoher Zuzahlung je Gerät von 3.000 bis 4.000 EUR kaufen und ggf. dazu noch vom iPhone umsteigen auf ein Premium-Android-Gerät in der Preisgegend von 500€ aufwärts?

    Wenn von Versorgung der Kirchen mit Auracast geredet wird, ist denn eigentlich klar, dass der größte Teil der Kirchgänger im Rentenalter sind, mit einer Durchschnittsrente von 1450€. Die Induktiv-Technik in den Hörsystemen gibt es übrigens kostenlos.

    Von daher ist sich die Fachwelt überhaupt nicht einig, ob Auracast als Hörunterstützung tauglich ist.

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  2. Leider ist Auracast für Schwerhörige nicht so einfach wie die Induktionstechnik zu bedienen. Bei der kostenlosen Induktion muss nur ein oder zweimal der Programm-Umschalter am Hörgerät oder der Fernsteuerung gedrückt werden, bei Auracast muss der Auracast-Assistent auf einem kompatiblen Smartphone gestartet werden, um dann nach empfangbaren Streams zu suchen, damit danach der gewünschte Stream eingestellt werden kann. Wie und wo der Auracast-Assistent auf dem Smartphone zu finden ist, hängt davon ab, welche Auracast-Variante auf dem Hörsystem installiert ist, denn seit Mitte 2024 gibt es zwei Steuerungs-Varianten von Auracast.*)

    Schon allein aus der Tatsache, dass ein Smartphone zur Nutzung von Auracast unabdingbar notwendig ist, zeigt, dass Auracast nicht barrierefrei ist, denn es erfüllt die Kriterien des §4 Behindertengleichstellungsgesetzes nicht: der Mensch muss ein nicht behinderungsbedingtes Gerät zur Teilnahme und Teilhabe besitzen, beherrschen und betriebsbereit halten.

    Die Auracast-Misere ist nicht das Henne-Ei-Problem, wer investiert zuerst: Schwerhörige oder Veranstalter. Die Auracast-Misere liegt völlig anders:

    80% der Schwerhörigen sind im Rentenalter mit einer Durchschnittrente von etwa 1450 €. Da stellt sich nicht die Frage, ob man sich Auracast-Hörgeräte für 3.000 bis 4.000 € pro Stück leisten kann, denn es gibt keine Kassengeräte mit Auracast. Etwa 50% der Menschen über 65 nutzen kein Smartphone. Darunter gibt es zahlreiche ältere Menschen, die aus medizinischen Gründen auch kein Smartphone bedienen können. Das ist dann Exklusion statt Inklusion. Zudem ist die Latenz von Auracast noch immer so hoch, dass das wichtige Mundabsehen erheblich gestört oder gar unmöglich ist. Es gibt noch eine ganze Reihe mehr Probleme, die hier zu nennen den Platz sprengen würde.

    Auf der Veranstalter-Seite ist das Problem, dass die maximale Reichweite unter guten Bedingungen laut Bluetooth-SIG 30.000 SquareFeet (< 30m Radius) **) beträgt, bei Wettereinfluss (Regen und Nebel) erheblich weniger. Das entspricht auch praktischen Erfahrungen, die auch Auracast-Enthusiasten gemeldet haben (25-30m auf der ISE Barcelona 2024). Hat man eine größere Fläche zu versorgen, z.B. Flughäfen oder Bahnhöfe, dann ist ein riesiges Sender-Netz erforderlich. Mit ein wenig Geometrie kann man die Maschenweite ermitteln: im Repeatermodus sind das <= minimaler Senderadius, im zentralversorgtem Modus Wurzel(3) * minimaler Senderadius. Für die sichere Versorgung eines 90x90m Bereiches mit Wettereinfluss können da schon 17 Sender nötig werden. Da kommen erhebliche Kosten zusammen.

    Generell hat Auracast ein Problem mit der Sicherheit. Der Chaos Computer Club***) hat Ende 2024 gezeigt, dass ein Fake-Sender problemlos den offiziellen Sender abhängen und alle Zuhörer auf sich umzuleiten kann. Dazu sind nur ein Notebook, ein USB-Stick für Bluetooth-Entwickler, die zugehörige Software und ein paar im Internet nachlesbare Steuerbefehle nötig. Der Fake-Sender passt in eine Aktentasche und ist per Smartphone fernsteuerbar. Diese Art von Fake-Sender sind nicht verhinderbar, weil sie lediglich die offiziellen Methoden von Bluetooth verwenden.
    Über diesen Fake-Sender-Typus können dann an alle Auracast-Hörer Fake-Durchsagen gemacht werden, um Panik zu erzeugen. Dies ist eine Sicherheitslücke, die bestimmte auländische Kräfte sicherlich ausnutzen werden. Auracast ist also nicht in sicherheitsrelevanten Bereichen einsetzbar, wie Flughäfen, Bahnhöfen oder Großveranstaltungen.

    Von daher ist sich die Fachwelt überhaupt nicht einig.

    *) https://www.bluetooth.com/bluetooth-resources/how-to-build-an-auracast-assistant/
    **) https://www.bluetooth.com/blog/answers-to-commonly-asked-questions-about-auracast-broadcast-audio/?utm_source=hearingtracker.com
    ***) https://media.ccc.de/v/38c3-auracast-breaking-broadcast-le-audio-before-it-hits-the-shelves#l=deu&t=1704

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