Kommunikationsraum
Interaktive Ausstellung im Den Blå Planet Kopenhagen

Multimedial inszenierte Wasserwelten

Dänemarks Nationalaquarium „Den Blå Planet“ (Der Blaue Planet) in Kopenhagen zählt nicht nur zu den wichtigsten Besucherattraktionen des Landes, sondern ist auch ein architektonisches Highlight. 2015 wurde die Ausstellung grafisch neu erschlossen, inhaltlich überarbeitet und zeitgemäß mit medientechnischen Elementen erweitert, die zur spielerischen Interaktion einladen. Und zwar inmitten eines Gebäudes, das sich scheinbar wie ein gigantischer Wasserwirbel aus der Uferebene des Öresunds schraubt.

Die reflektierende Aluminium-Außenhaut hebt die Grenze zwischen Land und Wasser scheinbar auf.
Die reflektierende Aluminium-Außenhaut hebt die Grenze zwischen Land und Wasser scheinbar auf.

Schon allein aus architektonischer Sicht ist das im Frühjahr 2013 eingeweihte Gebäude des dänischen Nationalaquariums „Den Blå Planet“ ein echter Hingucker. Nur wenige Kilometer vom Stadtzentrum Kopenhagens entfernt und in Sichtweite des Flughafens Kastrup haben die Architekten des international tätigen Büros 3XN aus Kopenhagen ein Bauwerk erschaffen, das sich auf faszinierende Weise in die Umgebung einfügt und sich scheinbar wie ein gigantischer Wasserwirbel aus der Uferebene des Öresunds schraubt. Dabei entwickelt sich die Gebäudeform aus der Ebene heraus und steigt zur Mitte hin an, wodurch sie je nach Blickwinkel mal wie eine geologische Formation wirkt und mal wie ein Wasserlebewesen, das aus dem Meer auftaucht.

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Geländeoberfläche, Wände und Dach bilden fließende Übergänge, wobei die reflektierende Außenhaut aus rautenförmigen Aluminiumplatten und die das Gebäude umgebende Wasserfläche die Grenze zwischen Land und Wasser scheinbar aufheben. Denn so wie das Wasser spiegelt auch das Aluminium die Farben und das Licht des Himmels wider, so dass der Bau je nach Wetterlage und Tageszeit unterschiedlich anmutet. Was von außen nicht zu sehen ist: Der Gebäudestruktur liegt ein sternförmiger Grundriss mit fünf gebogenen Ausläufern zugrunde, in dessen Zentrum sich das Foyer befindet. Die Besucher des Aquariums werden also sozusagen zunächst in die Mitte des Wirbels „gesogen“, bevor sie ihre Tour durch verschiedene Unterwasserwelten in den Ausläufern des Strudels beginnen.

Der Grundriss zeigt die ungewöhnliche Struktur des Gebäudes.
Der Grundriss zeigt die ungewöhnliche Struktur des Gebäudes.

Luxusproblem Besucherzahl

„Den Blå Planet“ ist der Nachfolger beziehungsweise die Erweiterung von Dänemarks Aquarium, das zwischen 1939 und 2012 in Charlottenlund nördlich von Kopenhagen zu Hause war. Da dieses im Lauf der Jahrzehnte viel zu klein wurde, nahm man den um einiges größeren Neubau in Angriff. Dabei wurden das Gebäude und das neue Ausstellungskonzept über einige Jahre hinweg sozusagen parallel geplant. Hierbei ging es zunächst überwiegend darum, die alte Ausstellung in ihr neues Zuhause zu integrieren und zu erweitern. Zur Eröffnung von „Den Blå Planet“ im März 2013 waren schließlich 3.000 Meerestiere von Charlottenlund nach Kastrup umgezogen, die sich nun die insgesamt 48 neuen Aquarien mit tausenden zusätzlichen Meerestieren teilen. Die Erfahrungen des ersten Jahres im neuen Gebäude haben aber auch gezeigt, dass es in einzelnen Bereichen der Ausstellung durchaus noch Optimierungspotenzial gab.

Aus diesem Grund wurde 2015 ein neues Ausstellungskonzept erarbeitet. Verantwortlich dafür sowie für Ausstellungsgestaltung, Szenografie, Medienkonzept und Grafik zeichnete dabei Atelier Brückner aus Stuttgart. Medienplanung und Mediendesign oblagen dem dänischen Unternehmen Yoke Interaction Design. Seit Juli 2015 werden die Besucher nun auf 1600 m² Ausstellungsfläche multimedial und interaktiv in den Bann der faszinierenden Unterwasserwelt gezogen. Die Tatsache, dass das Ausstellungskonzept innerhalb eines so kurzen Zeitraums überarbeitet werden musste, ist für Prof. Uwe R. Brückner, Gründer, Kreativdirektor und Partner des Ateliers Brückner, verständlich: „Man kann niemandem einen Vorwurf machen. Denn ursprünglich ist man von lediglich 500.000 Besuchern pro Jahr ausgegangen. Allein im Eröffnungsjahr 2013 wurde aber schon mehr als das Doppelte gezählt. Verständlich, dass dann auch das Leitsystem nicht mehr funktioniert. Da kann man die Planer der ersten Ausstellung nicht kritisieren, sondern muss einfach nachrüsten. Das war sozusagen ein reines Luxusproblem, um das wir uns kümmern durften.“ Hinzu kam, dass durch die langjährige Planung der ersten Ausstellung die Informationsvermittlung nicht in allen Aspekten zeitgemäß war.

Farblich kodierte Lichttore weisen den Weg durch die Ausstellung.
Farblich kodierte Lichttore weisen den Weg durch die Ausstellung.

Orientierung im Sog des Aquariums

Schon im Foyer, dem architektonischen Mittelpunkt des Gebäudes, treffen die Besucher auf eine einfache, aber effektive Neuerung: ein Leitsystem, das eine erste Orientierung im Blå Planet ermöglicht. Für Cord-Hinrich Grote, Projektleiter und Art Director bei Atelier Brückner, war das eine wichtige Maßnahme: „Das Blå Planet befindet sich in einem architektonisch sehr schönen und ungewöhnlichen Gebäude. Es hat aber auch den Nachteil, dass die vielen Wegemöglichkeiten vom Foyer aus dafür sorgen, dass die Besucher nicht wissen, wo sie lang gehen sollen. Insofern haben wir zunächst ein klares Leitsystem entwickelt, das mit einfachen Mitteln für Orientierung sorgt. Im Foyer haben wir an den Zugängen zu den einzelnen Gebäudeausläufern hinter Glas gelegte Lichtpaneele angebracht. Dabei handelt es sich um RGB-LED-Panels der Firma Designpanel, die ebenfalls über einen DMX-Anschluss verfügen. Die LED-Panels werden in unterschiedlichen Farben zur Orientierung ausgeleuchtet und verfügen außerdem über aufgedruckte Informationen. Maximal einfach.“

Um eine gleichmäßige Ausleuchtung der Flächen zu erreichen, wird hier zum Teil mit einer Seitenlichteinspeisung gearbeitet und einer Bedruckung, die für die gleichmäßige Lichtabgabe nach vorne sorgt. Durch die LED-Panels im Foyer entstehen drei farbkodierte Themenstränge, die durch die Ausstellung führen: Kaltwasser (nördliche Seen und Meere), warmes Süßwasser (tropische Seen und Flüsse) und warmes Salzwasser (Ozean).

Mit der „Blå Planet“-App als Informationsguide lassen sich alle Infos auf dem Smartphone oder dem Tablet abrufen.
Mit der „Blå Planet“-App als Informationsguide lassen sich alle Infos auf dem Smartphone oder dem Tablet abrufen. (Bild: i REMEMBER events)

Informationsvermittlung per iBeacons

Im Zuge der Neukonzeption der Ausstellung gab es auch wesentliche Veränderungen im Bereich der Informationsvermittlung. Mark Moust, Ausstellungstechniker bei „Den Blå Planet“, berichtet, dass die Wissensvermittlung ursprünglich zum großen Teil analog über gedruckte Informationstafeln und Papier erfolgte: „Der Grund dafür könnte sein, dass die Ausstellungsplanung für das neue Gebäude vor fast zehn Jahren begann und man sich zunächst an der alten Ausstellung von Charlottenlund orientierte. Zudem waren die Digital-Signage-Systeme zu der Zeit noch nicht so weit entwickelt und verbreitet wie heute – und natürlich noch um einiges teurer. Entsprechend wurden nur wenige Touchmonitore in die Ausstellung eingebunden, in einem System, das noch dazu recht fehleranfällig war. Maximal gab es früher für jedes Aquarium eine Informationsstation, was dazu geführt hat, dass sich davor oft so viele Menschen gesammelt haben, dass andere nichts mehr sehen konnten.“

In der neuen Ausstellung hat sich dies nun geändert. Insgesamt informieren jetzt 65 Touchmonitore der Firma iDisplay an den einzelnen Aquarien über deren jeweilige Bewohner. Zudem verfolgt man bei der Wissensvermittlung ein neues Konzept: An jedem der 48 Aquarien wurden sogenannte iBeacons angebracht, die im Batteriebetrieb laufen. Das sind kompakte Bluetooth-Sender für den Indoor-Bereich, die kontinuierlich Funksignale basierend auf Bluetooth Low Energy (Version 4.0) aussenden. Diese können von Clients wie Smartphones oder Tablet PCs empfangen werden, sobald sie sich in Reichweite eines iBeacons befinden.

Per iBeacon werden Fische vom eigenen Endgerät in ein "digitales" Aquarium entlassen.
Per iBeacon werden Fische vom eigenen Endgerät in ein “digitales” Aquarium entlassen.

„Für die Kommunikation mit den iBeacons hat Yoke Interaction Design die App ‚Den Blå Planet‘ entwickelt, die sich die Besucher schon von Zuhause aus oder vor Ort kostenlos auf ihr mobiles Endgerät herunterladen können“, erklärt Cord-Hinrich Grote. „Mit der App sind die Besucher dann in der Lage, genau die gleichen Informationen in dänischer, schwedischer und englischer Sprache über ihr mobiles Endgerät abzurufen, wie über die festinstallierten Screens. Auf diese Weise können größere Menschenansammlungen vor einem einzelnen Monitor vermieden werden. Entsprechend betrachten wir Smartphones und Tablets langfristig als das Haupttool, über das die Besucher Informationen über die Meerestiere und -pflanzen abrufen. Die Screens sind als Alternative für all jene gedacht, die kein Smartphone besitzen oder sich die App nicht herunterladen möchten.“ Dabei sind die eigentlichen Informationen zu den einzelnen Aquarien lokal in der App gespeichert, so dass sie offline ohne Streaming funktioniert. Ein wichtiger Faktor, da es in Gebäuden, in denen es viel Beton, Stahl und Wasser gibt, zu Problemen mit WLAN-Netzen kommen kann. Und gerade Wasser und Beton gibt es in „Den Blå Planet“ in Hülle und Fülle.

Projektion zwischen Spaßfaktor und Wissensvermittlung

Ein multimediales Highlight der Ausstellung ist für Kinder beispielsweise ohne Zweifel die Plankton-Installation. Dabei geht es um vergrößerte Piktogramme von Phyto- und Zooplankton, die in einem minimalistischen Comicstil auf eine Wand projiziert werden. Wenn jemand daran vorbeigeht, weicht das Plankton aus. So entsteht der Eindruck, als würde der Besucher durchs Wasser gehen und einen Schwall Plankton vor sich hertreiben. Viele Kinder machen sich hier einen Spaß daraus, an der Wand auf und ab zu hüpfen, um das Plankton zu „jagen“. Dafür sorgen drei Kinect-Sensorkameras auf der gegenüberliegenden Wand, die den Raum flächig abtasten, so dass der Besucher mit seiner Outline eine Reaktion hervorruft. Der Sensor-Input wird auf einem separaten Server gerendert und zu einem Bild zusammengesetzt, welches dann wiederum an drei Projektoren verteilt wird.

Die interaktive Planktonprojektion ist ein Highlight für Kinder.
Die interaktive Planktonprojektion ist ein Highlight für Kinder.

Auffallend ist dabei, dass die Technik wie in vielen Bereichen des „Blå Planet“ offen zu sehen ist. „Das liegt vor allem daran, dass sich hinter den meisten Wänden große Aquarien verbergen“, erklärt Mark Moust, Ausstellungstechniker bei “Den Blå Planet”. „Hinter der gegenüberliegenden Wand der Plankton-Installation befindet sich beispielsweise unser größtes Aquarium. Hier haben wir nicht die Möglichkeit, tief zu bohren. Aus diesem Grund haben wir uns generell dafür entschieden, die Technik offen in den oberen Wandbereichen zu verbauen. Damit dies nicht so extrem ins Auge fällt, wurden diese Bereiche schwarz gestrichen. Generell fällt das aber nicht weiter auf, da alle Räume in einem dunklen Grau gehalten sind.“

Robust und langlebig

Was im „Den Blå Planet“ ebenfalls deutlich wird: Eine Einrichtung, die viele Kinder zu seinen Besuchern zählt, muss besonderes Augenmerk auf Robustheit und Langlebigkeit der Technikkomponenten legen. Ein gutes Beispiel dafür ist eine Installation zur Fischanatomie, die aus genau diesen Gründen Print und Projektion geschickt miteinander verbindet. Dabei wurde auf eine speziell vorbehandelte Wandfläche ein großer Thunfisch gedruckt, dessen Innenfläche hell gehalten ist. Unterhalb des Fisches befinden sich mehrere Buttons, über die unterschiedliche Themenbereiche zur Fischanatomie aufgerufen werden können, z. B. Innereien oder Skelett, die dann über einen oberhalb angebrachten Short-Throw-Projektor in das Innere des Fischleibes projiziert werden. „Rein technisch gesehen wären die Buttons hier gar nicht erforderlich“, berichtet Mark Moust. „Denn hinter ihnen befinden sich Sensoren, die auf Bewegung reagieren. Da aber gerade kleine Kinder die Angewohnheit haben, mit undosierten Kräften auf Sensorflächen zu hauen, bilden die Buttons hier sozusagen einen Schutz für die Technik. Auch das ist eine wesentliche Veränderung im neuen Ausstellungskonzept: Früher hatten wir viele mechanische Exponate, die aber sehr häufig repariert werden mussten, da gerade die kleineren Kinder ihre Kräfte noch nicht richtig dosieren können. Dieses Problem haben wir jetzt nicht mehr.“

Die Installation Thunfischanatomie vereint Print und Projektion.
Die Installation Thunfischanatomie vereint Print und Projektion.

Cord-Hinrich Grote, Projektleiter und Art Director bei Atelier Brückner, weist zudem darauf hin, dass bei sämtlichen Installationen mit Projektionen ebenso wie bei den Wandgrafiken die Beleuchtung im „Blå Planet“ eine wichtige Rolle spielt: „Gemeinsam mit dem namhaften Lichtdesigner Jesper Kongshaug wurde für die bis zu 50 m langen, raumhohen Wandgrafiken ein speziell angepasstes Beleuchtungssystem entworfen, so dass wir nun eine sehr gleichmäßige Ausleuchtung auf den Illustrationen erreichen. Dafür sorgen minimalistisch gestaltete, lineare Lichtvouten, die relativ nah an der Wand verbaut wurden und in einem sehr steilen Winkel auf diese treffen. Die darin enthaltenen LED-Elemente, die alle 30 cm verbaut sind, verfügen über eine spezielle Lichtcharakteristik, so dass man insgesamt ein gleichmäßiges Helligkeitsbild erhält. Es entstehen weder Scallops noch eine Verschattung. Das Problem dabei war lediglich: Je steiler das Licht von oben geworfen wird, desto stärker treten Unregelmäßigkeiten auf den Wänden hervor. Entsprechend mussten diese sehr gut vorbehandelt werden, um dies zu vermeiden.“

Autor: Claudia Rothkamp 

 


 

„Den Blå Planet“: Beteiligte Unternehmen (Auszug)

Bauherr:
// Danmarks Akvarium – National Aquarium Denmark, Kastrup, Dänemark // www.denblaaplanet.dk

Ausstellungskonzept & -gestaltung, Szenografie, Medienkonzept & Grafik:
// Atelier Brückner, Stuttgart // www.atelier-brueckner.com

Medienplanung & Mediendesign (inkl. App):
// Yoke Interaction Design, Kopenhagen, Dänemark // www.yoke.dk

Lichtplanung:
// Jesper Kongshaug, Kopenhagen, Dänemark // www.jesperkongshaug.com

 

 

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