Wenn Oberflächen per Projection Mapping lebendig werden …
Projection Mapping: Kreative Möglichkeiten auf Fassaden und in Ausstellungen
von Redaktion,
Projection Mapping ist der letzte Schrei im Bereich Live-Kommunikation: Die aufwendig produzierten, dreidimensionalen Lichtspektakel sind nicht nur auf Messen, Festivals und bei Produktpräsentationen regelrechte Publikumsmagnete. Auch Museen hauchen statischen Ausstellungsstücken mit der Technologie immer häufiger neues Leben ein. Doch was steckt eigentlich hinter dem Hype? Und worauf ist bei einem erfolgreichen Projection Mapping zu achten?
Feuerwerk war gestern. Wer die zunehmend anspruchsvollen und technikverwöhnten Massen heute so richtig von den Stühlen reißen möchte, setzt auf Projection Mapping – auch Videomapping genannt. Diese innovative Form der Medienkunst macht optische Illusionen – häufig in Kombination mit Audioeffekten – auf statischen Objekten erlebbar. „Anders gesagt: Die Bilder verlassen die Leinwand und werden auf einer dreidimensionalen Oberfläche zum Leben erweckt“, erklärt Dominik Rinnhofer, Geschäftsführer und Creative Director des Karlsruher Künstlerkollektivs PXNG.LI GmbH (PONG.LI). Darüber hinaus lassen sich damit aber auch die physikalischen Eigenschaften der realen Objekte scheinbar verändern. So können mithilfe der Technologie beispielsweise ganze Gebäude zur Musik tanzen, in neuem Anstrich erstrahlen, einstürzen, in einem Flammenmeer versinken, sich zu meterhohen Wasserwänden auftürmen oder sogar komplett verschwinden. Videomapping bzw. Projection Mapping bietet unzählige Möglichkeiten, um Menschen zu verzaubern, zu begeistern und ins Staunen zu versetzen.
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Projection Mapping – historischer Exkurs
Dabei ist die Idee alles andere als neu: Bereits vor rund 50 Jahren kam Projection Mapping im amerikanischen Disneyland erstmals zum Einsatz. Bei der Eröffnung einer Geisterbahn wurde ein individuell angepasster 16-Millimeter-Film von den Gesichtern einiger Sänger auf Büsten projiziert, um so eine optische Täuschung zu erzielen. Denn durch die Projektion wirkte es so, als schnitten die Gipsbüsten Grimassen und sängen. Ein echter Hingucker, der damals allerdings immensen Aufwand und höchste Präzision erforderte. Um die Illusion der singenden Köpfe zu ermöglichen, musste schon bei der Filmproduktion genau darauf geachtet werden, dass die Gesichter der Sänger und die Büsten exakt aufeinanderpassten. „Alles musste bis auf den Millimeter genau ausgerichtet sein, schon die kleinste Abweichung hätte den Effekt ruiniert“, sagt Rinnhofer.
Wenig später kamen neue 3D-Grafik-Softwarelösungen auf den Markt. Sie vereinfachten das Modellieren und Animieren von 3D-Objekten und damit auch das Projection Mapping. Vor allem die elektronische Musikszene entdeckte die Technologie für sich und setzte mithilfe von visuellen Künstlern und Videomapping ihre Beats gekonnt in Szene. Dank der kontinuierlichen Weiterentwicklung der Projektionstechnik entfalteten die Lichtprojektionen seit Mitte der 2000er-Jahre auf Häuserfassaden, Messeständen und in Museen ihr gesamtes Potenzial.
Projection Mapping liegt im Trend
Mittlerweile ist das Projection Mapping im Marketingmix von Industrie und Handel längst eine feste Größe. Ein Blick auf die Zahlen bestätigt dies: Laut einer Panasonic-Umfrage verzeichneten 65 % der professionellen Projection- Mapping-Anbieter zwischen 2012 und 2015 steigendes Auftragsvolumen. Auch künftig wird dieser Aufwärtstrend wohl weiter anhalten: Marktforscher der britischen Wiseguy Research Consultants PVT LTD prognostizieren, dass der globale Markt für Projection-Mapping-Equipment bis 2022 um jährlich rund 17%wachsen wird. „Projection Mapping hat sich als fester Bestandteil vieler kommerzieller Veranstaltungen etabliert, weil es sowohl für den Veranstalter als auch die Ausführenden Gewinn bringt“, resümiert Hartmut Kulessa, European Projector Marketing Manager bei Panasonic.
Vor allem die Werbebranche weiß um das hohe Aufmerksamkeitspotenzial der Technologie. Aber auch Museen und kommunale Eventplaner nutzen die audiovisuellen Konzepte, um bei Besuchern zu punkten. So projizierte beispielsweise das Staatsministerium Baden-Württemberg zum Tag der Deutschen Einheit 2013 ein rund 20-minütiges Architekturmapping auf das Neue Schloss in Stuttgart. „Die Show zeigte eine Reise quer durch Deutschland und thematisierte auf sympathische und teils auch ironische Weise Berühmtheiten und Besonderheiten der einzelnen Bundesländer“, erinnert sich PXNG.LI-Geschäftsführer Dominik Rinnhofer, der die Installation gemeinsam mit seinem Team konzipiert hatte. Ein gutes Stück Arbeit: Vom ersten Entwurf bis zur finalen Videoversion gingen mehrere Monate ins Land. „Professionelles Projection Mapping lässt sich nicht mal eben aus dem Ärmel schütteln, sondern erfordert gute Vorbereitung und ein passgenaues Zusammenspiel aller Beteiligten“, unterstreicht der Experte. „Ein Kinofilm entsteht ja auch nicht über Nacht.“
Aufwendige Produktion
Genau wie bei Hollywood-Blockbustern gilt es auch beim Projection Mapping unterschiedliche Aufgaben zu meistern (s. Kasten). Dementsprechend frühzeitig sollte man mit der Planung beginnen – egal, ob das Videomapping einen einmaligen Event aufwerten oder etwa als Dauerinstallation in einem Museum der permanenten Wissensvermittlung dienen soll. Dabei gilt es zunächst, Inhalte und Zielsetzung zu klären. Soll das Projection Mapping komplexe Prozesse visualisieren, spannende Hintergrundinformationen vermitteln oder im Rahmen einer Show für einen ordentlichen Wow-Effekt sorgen? Wie sind die örtlichen Rahmenbedingungen, wer ist die Zielgruppe? „Derartige Fragen müssen ganz zu Anfang auf den Tisch“, sagt PXNG.LI-Chef Rinnhofer. Mit seinem Künstlerkollektiv hat er bereits zahlreiche Projekte für unterschiedliche Museen umgesetzt – und nicht zuletzt aufgrund der umfassenden Planung damit in der Regel den Nagel auf den Kopf getroffen.
Wie etwa mit der Mapping-Installation „Die Entstehung der Erde“ im Luxemburger Nationalmuseum für Naturgeschichte. Seit 2017 können Besucher hier die Entwicklung der Erde mit eigenen Augen verfolgen – vom glühenden Feuerball über die Entstehung der Erdplatten und dem Kontinentaldrift bis hin zur Besiedelung durch erste Lebewesen. „Die Inhalte werden auf eine 1 m große Halbkugel aus Acrylglas im Raum projiziert und durch eine Sound- Collage eindrucksvoll untermalt“, erklärt Rinnhofer die Technik hinter dem Projekt. Das begann übrigens – wie jedes professionelle Projection Mapping – mit der Erstellung eines Storyboards. Schließlich galt es, die wichtigsten Meilensteine aus 4,5 Mrd. Jahren Entwicklungsgeschichte zu ermitteln und zu visualisieren. „Dabei haben wir natürlich eng mit den Museumsexperten zusammengearbeitet“, erinnert sich der Projektionskünstler.
Anschließend geht es darum, das zuvor entwickelte Storyboard filmisch umzusetzen und mit passenden Audioeffekten zu untermalen. „Vor allem bei Event-Videomappings trägt auch die Tonspur zum Erfolg bei“, ist Rinnhofer überzeugt. Um die Lichtprojektionen auch auditiv passgenau in Szene zu setzen, lässt das Künstlerkollektiv die „Filmmusik“ deshalb häufig eigens neu komponieren. „Natürlich gibt es auch Projektionen, die ohne Musik auskommen“, sagt Rinnhofer. Beispielsweise das „Geo-Modell Luxemburg“, das ebenfalls im Nationalmuseum für Naturgeschichte in Luxemburg zu bewundern ist. Es visualisiert geologische und meteorologische Daten rund um Luxemburg auf ein dreidimensionales Modell des Landes. „Besucher wählen einfach über ein Tablet aus, ob sie sich über Flora, Fauna oder Gesteine informieren möchten, und erhalten die gewünschte Ansicht zusammen mit entsprechenden Hintergrundinformationen“, erklärt der PXNG.LI-Chef. Der Clou dabei: Auch das aktuelle Wetter lässt sich im Geo-Modell Luxemburg per Mausklick visualisieren. Dazu werden Echtzeit- Daten von unterschiedlichen Wetterstationen abgegriffen und automatisch grafisch aufgearbeitet.
Der Teufel liegt beim Projection Mapping im Detail
Um den gewünschten dreidimensionalen Effekt zu erzielen, müssen Filmmaterial und künftige Projektionsfläche bis aufs kleinste Detail übereinander passen. Ansonsten kommt es zu Verzerrungen und Qualitätsverlusten. „Deshalb ist die genaue Vermessung der Projektionsfläche besonders wichtig und beim Architekturmapping eine immense Herausforderung“, sagt Rinnhofer. Denn während sich eine freischwebende Halbkugel in einem Museum noch relativ einfach vermessen lässt, ist die detailgetreue, dreidimensionale Abbildung Luxemburgs bereits um einiges komplexer. Und auch die Vermessung hundert Meter langer Schlossfassaden ist alles andere als einfach. Schließlich gilt es, nicht nur Höhe und Breite der einzelnen Gebäudeteile zu erfassen, auch jedes Fenster, jeder Vorsprung und jede Dachgaube müssen berücksichtigt werden. Nur so lässt sich die zukünftige Projektionsfläche anschließend originalgetreu digital nachbilden. Dazu werden zunächst ein Laserscan des Gebäudes erstellt und die Millionen von Einzelmessungen in einer sogenannten Punktwolke im Computer gebündelt. Auf Basis dieser Informationen erstellt ein 3D-Artist schließlich eine virtuelle Modellvorlage.
Erst dann beginnt das eigentliche Mapping (engl. Abbildung): Dabei wird der Film mit einer speziellen Software pixelgenau an das digitale Modell angepasst – „also quasi wie eine zweite Haut darübergezogen“, verdeutlicht der PXNG.LI-Chef. Mithilfe des computergestützten 3D-Modells lassen sich Wirkung, Umsetzbarkeit und optisches Erscheinungsbild des Entwurfs ausgiebig testen und mit dem Auftraggeber im Detail abstimmen. So fallen eventuelle Unstimmigkeiten rechtzeitig auf und können bei Bedarf angepasst werden.
Und obwohl eine entsprechende Software dabei die Berechnung von Winkeln, Perspektiven und erforderlichen Verzerrungen übernimmt, erfordert das Projection Mapping jede Menge Fingerspitzengefühl und Erfahrung. Denn neben den Leistungsmerkmalen von Projektor und Objektiv müssen ebenso Bewegungen, Perspektiven und Farben berücksichtigt und richtig skaliert werden. Das heißt: „Wenn sich Dimensionen verändern, wandeln sich auch Geschwindigkeiten“, nennt der PXNG.LI-Chef ein Beispiel. Anders gesagt: Ein Regentropfen, der auf dem PC-Monitor fast schon in Zeitlupe fällt, gewinnt mit zunehmender Projektionsfläche an Geschwindigkeit. „Oft wird das nicht ausreichend beachtet. Deshalbwirken viele Architekturmappings ziemlich hektisch“, weiß Rinnhofer. Um das fertige Filmmaterial auf das reale Objekt zu übertragen, braucht man nun nur noch zwei Dinge: leistungsstarke Projektoren sowie einen geeigneten Medienserver, mit dem sich die multimedialen Informationen an die angeschlossenen Beamer übermitteln lassen. Diese Aufgabe übernehmen je nach Bedarf wahlweise ganz normale Laptops mit entsprechender Mappingsoftware oder professionelle Medien- und Showcontrolsysteme, wie etwa Pandoras Box, Watchout oder GrandMA VPU.
Passgenaue Produktauswahl
Die Auswahl eines geeigneten Projektors muss ebenfalls genau auf das Projekt abgestimmt sein. Während sich beispielsweise in abgedunkelten Messeräumen oder Museen schon mit einem einzelnen Projektor beeindruckende Projection Mappings erzeugen lassen, kommen bei großen Fassadenprojektionen oft 20 oder 30 Projektoren zum Einsatz. „Wichtig ist es, dass Auflösung und Lichtleistung stimmen“, sagt Dominik Rinnhofer – und bestätigt damit Umfrageergebnisse von Panasonic. Zudem legen professionelle Videomapper Wert auf ein ausreichendes Kontrastverhältnis sowie auf Farbtreue und hohe Bildqualität.
Bei großflächigen Projektionen spielt außerdem die sogenannte Edge-Blending-Technologie eine wichtige Rolle. Sie beseitigt sichtbare Überlappungen einzelner Bilder und ermöglicht so eine durchgängige Darstellung. „Durch integrierte Image-Warping-Funktionen können die Bildverzerrungen zudem bei Bedarf in Echtzeit feinjustiert werden“, ergänzt der Karlsruher Projektionsexperte. Vor allem bei Events ein wichtiger Vorteil, da sich dadurch leichte Abweichungen ausgleichen lassen.
All das zeigt: Nur wenn örtliche Rahmenbedingungen, Hard- und Softwareauswahl, Drehbuch und Umsetzung stimmen, lässt sich das gesamte Potenzial von Projection Mapping ausschöpfen. „Dementsprechend versuchen wir, mit unseren Installationen immer neue Akzente zu setzen“, sagt Dominik Rinnhofer. „Etwa, indem wir auch partizipative Elemente einbauen.“ So können beispielsweise im Historischen Museum der Pfalz Speyer die Auswirkungen des Nilhochwassers in Ägypten nicht nur betrachtet, sondern aktiv gesteuert werden. Drehen die Besucher an einem im Raum installierten gusseisernen Schleusentorrad, steigt auf dem dreidimensionalen Modell des Niltals der Wasserspiegel und der Fluss tritt über die Ufer. Dreht man weiter, endet die Regenzeit. Der Nil zieht sich langsam in sein Bett zurück und hinterlässt eine schwarze Schlammschicht, die sich nach und nach in grüne, saftige Felder verwandelt. „Vor allem Kinder verstehen dadurch viel besser, warum das Nilhochwasser und die damit verbundenen drei Jahreszeiten so existenziell für die Entstehung der ägyptischen Hochkultur waren“, unterstreicht der PXNG.LI-Chef.
Partizipation kommt auch bei der Fassadenprojektion an
Derartige Mitmachmöglichkeiten kommen an. Und zwar nicht nur im Museum. Zum 300-jährigen Geburtstag seiner Heimatstadt projizierte das Karlsruher Künstlerkollektiv im Auftrag des ZKM I Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe ein virtuelles Computerspiel auf die Fassade des Karlsruher Schlosses. Beim weltweit ersten Megapixel Multiplayer Fassaden-Mapping Game „Capture the Pyramide“ kämpften zehn aktive Spieler in zwei Teams darum, als erste Mannschaft die „Pyramide“ in der Mitte des Schlosses zu erobern. Dazu galt es, die virtuellen Spielfiguren über acht Level möglichst schnell durch ein Labyrinth von Steinblöcken und Mauern zu lotsen. „Die persönlichen Smartphones dienten als Gamecontroller, die Schlossfassade als Spieloberfläche“, erläutert Rinnhofer. Für das Architekturmapping hagelte es später Auszeichnungen, beim Publikum stieß es auf geteilte Reaktionen: Wer selbst spielen durfte, war begeistert. Wer nur zuschaute, fand es weniger beeindruckend. Für den PXNG.LI-Chef ein weiteres Indiz dafür, dass gute Planung und professionelle Umsetzung für den Erfolg eines Projection Mappings unverzichtbar sind. „Denn nur dann hat es die gewünschte mitreißende Wirkung – und zwar bei allen Besuchern“, ist Rinnhofer überzeugt.
So gelingt eine Projection-Mapping-Installation Step by Step
umfassende Planung, inkl. Definition von Zielsetzung und Zielgruppen, Örtlichkeiten
Entwicklung von Konzept und Storyboard
Programmierung von (Bewegt-)Bildern und visuellen Effekten
Produktion von Audioeffekten
Vermessung der Projektionsfläche
Programmierung der virtuellen Modellvorlage
Mapping der Bildmaterialien
ggf. Produktion der realen Projektionsvorlage
Bereitstellung geeigneter Projektoren und Medienserver
Vor-Ort-Konfiguration inkl. Image Warping
Autorin: Kirsten Schmidt
Ein weiteres Beispiel für eine gelungene Fassadenprojektion finden Sie in unserem Bericht über das Atelier des Lumières in Paris.