In den letzten Jahren hat sich AV over IP hat sich als vielseitige Technologie für den Transport von Audio- und Videosignalen über standardisierte IP-Netzwerke etabliert. Das AV-Distributionssystem ermöglicht die flexible Verteilung großer Audio- und Videodaten über lokale Netze wie LANs und WANs. Dadurch lassen sich Inhalte effizient zwischen Geräten in einem Gebäude oder sogar über Standorte hinweg austauschen. Zeit für eine Bestandsaufnahme: Wo steht die Technik heute, welche Standards gibt es – und warum entfaltet es sein volles Potenzial noch nicht?
(Bild: DALL-E)
AV over IP basiert auf dem Ethernet-Standard. Die AV-Daten werden in kleine Pakete zerlegt, mit Steuerinformationen wie Quelle, Ziel und Sequenz versehen und über Netzwerke übertragen. Beim Empfang werden die Pakete wieder zusammengesetzt. Herkömmliche AV-Kabel und -Schnittstellen sind damit weitgehend überflüssig, da reguläre Netzwerkswitches als Audio-/Video-Switches oder Matrix-Switches genutzt werden können.
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Ein wesentlicher Treiber für die Akzeptanz von AV over IP ist die zunehmende Verfügbarkeit von Gigabit-Ethernet und leistungsstarken Netzwerkinfrastrukturen. Diese bilden die Grundlage für Übertragungen in hoher Auflösung, etwa 4K und zunehmend auch 8K, mit optimierten Latenzzeiten.
Aufgrund dieser Leistungsfähigkeit hat sich AV over IP von einer Nischenlösung zu einer Mainstream-Option entwickelt. „Wir sehen eine steigende Nachfrage nach AV over IP, da Unternehmen nach einer kostengünstigeren und einfacheren Alternative zu traditionellen AV-Lösungen suchen“, heißt es bei Avixa, einem führenden Fachverband für audiovisuelle Kommunikation.
Vorteile von AV over IP für Anwender
Die steigende Nachfrage ist angesichts des Potenzials von AV over IP nicht weiter erstaunlich. Die paketbasierten Systeme liefern – insbesondere über große Entfernungen – eine äußerst flexible, schnelle und hochwertige Übertragung von Audio- und Videosignalen. Dies ist besonders vorteilhaft für große Unternehmensgelände oder Organisationen mit mehreren Standorten – und stellt sicher, dass Teams unabhängig von ihrem physischen Standort immer kristallklar kommunizieren können.
AV over IP erfordert kein separates, paralleles Netzwerk, sondern lässt es sich nahtlos in die vorhandene IT-Infrastruktur integrieren. Dies reduziert nicht nur die Komplexität, sondern eröffnet neue Möglichkeiten – wie die Kombination von AV-Daten mit Analysetools oder die Integration in andere Unternehmenssysteme und nahtlos vernetzte Arbeitsplätze.
Die Integration vereinfacht auch die Verwaltung. Das gesamtes AV-Ökosystem lässt sich mit AV over IP von einem zentralen Standort aus administrieren. Anders als bei klassischen AV-Signalverteilungen können per AV over IP auch direkt Steuerbefehle und KVM-Funktionen sowie USB-Features übertragen werden. Diese zentralisierte Steuerung macht AV over IP besonders attraktiv für Branchen wie die Industrie, wo Kontrollräume und verteilte Arbeitsumgebungen eine wichtige Rolle spielen.
Die Kosteneffizienz von AV over IP steigt im Vergleich zu traditionellen AV mit der Anzahl der Endpunkte (Bild: bxbsystem.com)
In der heutigen dynamischen Unternehmenswelt ist Anpassungsfähigkeit ein Schlüsselfaktor. AV-over-IP-Systeme bieten außergewöhnliche Skalierbarkeit. Muss ein neuer Konferenzraum hinzugefügt oder in ein neues Büro expandiert werden? Mit AV over IP ist das schnell erledigt. Diese Flexibilität ermöglicht es Unternehmen, ihre AV-Lösungen kontinuierlich an wachsende Anforderungen anzupassen.
Obwohl die anfängliche Investition in AV over IP höher erscheinen mag, sind die langfristigen Kosteneinsparungen erheblich. Durch die Nutzung der bestehenden IT-Netzwerkinfrastruktur entfallen spezielle AV-Kabel, und die Hardwarekosten sinken. Ethernet-basierte Lösungen machen die Erweiterung durch zusätzliche IP-Switches im Vergleich zum Kauf weiterer HDBaseT-Switches deutlich kostengünstiger. Zudem reduzieren die vereinfachte Wartung und die Möglichkeit der zentralen Verwaltung die Betriebskosten nachhaltig und steigern die Effizienz.
AV versus AVoIP: Die traditionelle A/V-Architektur ähnelt den Grundelementen und der Hauptarchitektur der AV-over-IP-Architektur, doch gibt es entscheidende Unterschiede. (Bild: bxbsystem.com)
Von Einkaufszentren bis Hochschulen
In den letzten Jahren hat AV over IP viele praktische Anwendungsbereiche erobert. Ein typisches Beispiel sind die Konferenzräume mit ihren Videokonferenzen und hochauflösenden Bildern und synchronisiertem Ton – unabhängig davon, ob Teilnehmer vor Ort oder weltweit verteilt sind. Videoanrufe, Dokumente und Präsentationen lassen sich nahtlos und interaktiv einbinden, ohne dass zwischen verschiedenen Geräten gewechselt werden muss.
In Einkaufszentren, Flughäfen oder Stadien sind digitale Displays verbaut. Im Bereich der öffentlichen Sicherheit kommt AV over IP zum Einsatz, um Überwachungs- und Alarmsysteme zentral zu steuern. Im Gesundheitswesen erlaubt AV over IP die Übertragung der Bild- und Videodaten bei Eingriffen und ermöglicht es, diese Daten für Schulungen oder Konsultationen in anderen Krankenhäusern bereitzustellen. Und in der Unterhaltungselektronik, insbesondere in Veranstaltungs- und Sportarenen, wird die Technologie genutzt, um Inhalte auf großen LED-Wänden oder in VIP-Bereichen individuell anzupassen.
Im Bildunggsektor können interaktive Displays und digitale Whiteboards über Netzwerke verbunden werden, sodass Lehrkräfte und Studierende Inhalte in Echtzeit teilen und gemeinsam bearbeiten können. „AV over IP ist derzeit der große Renner“, sagt Mike Tomei, Berater für AV-Design im Hochschulbereich. Diese Umstellung ist auf mehreren Ebenen praktisch.
Der größte Vorteil des Einsatzes von AV over IP in Hochschulklassenräumen ist die Möglichkeit, Vorlesungen und Veranstaltungen aufzuzeichnen, ergänzt Damien Weissenburger von Professional Solutions Europe. Die Videos können dann entweder live gestreamt oder zur späteren Betrachtung hochgeladen werden. „Dies eröffnet auch die Möglichkeit, sich mit anderen Bildungseinrichtungen rund um den Globus zu vernetzen, so Weissenberger. „Die Bereitstellung dieser Vorlesungen außerhalb des Standorts bereichert die Lernerfahrung, da sie auf die Bedürfnisse des Nutzers abgestimmt ist.“ Damit trägt AV over IP dazu bei, die Welt der Bildung noch kleiner zu machen.
Von AV over IP profitieren zahlreiche Anwendungen von Konferenzraum bis Serverraum, Security-Zentrale bis Digital Signage (Bild: ezCast)
H.264 und die Komprimierungsstandards
Grundsätzlich hält der AV-over-IP-Markt Lösungen für unterschiedliche Budgets, Applikationen und Ansprüche bereit. Kunden stehen dabei allerdings häufig vor dem Problem eines „Vendor Lock-ins“, bei dem sie an die proprietären Lösungen eines Herstellers gebunden sind. Dies erschwert die Interoperabilität und führt dazu, dass unterschiedliche Geräte oft nicht oder nicht nahtlos miteinander kommunizieren können.
Um diese Herausforderung zu bewältigen, hat sich eine Reihe von Standards etabliert. Sie zielen darauf ab, die Kompatibilität zwischen Herstellern zu gewährleisten. Offene Standards ermöglichen es, dass AV-over-IP-Produkte unterschiedlicher Anbieter miteinander zusammenarbeiten.
Die Bedeutung der Standardisierung wird in der Branche stark betont. Justin Kennington, Präsident der SDVoE Alliance, einem gemeinnützigen Konsortium von Industrieanbietern, erklärt: „Die Zukunft von AV over IP liegt in der Standardisierung. Nur durch die Einführung gemeinsamer Standards können wir sicherstellen, dass AV-Geräte nahtlos zusammenarbeiten und die volle Leistungsfähigkeit der Technologie ausgeschöpft wird.“
Ein zentrales Hindernis auf dem Weg zur optimalen Nutzung von AV over IP ist die oft eingeschränkte Verfügbarkeit von Bandbreite in den bestehenden IT-Infrastrukturen. In diesem Fall müssen Komprimierungsstandards zum Einsatz kommen, die die Datenmenge reduzieren.
Einer der am weitesten verbreiteten Standards für Videokompression ist H.264, auch bekannt als MPEG-4 AVC. Er verwendet eine Inter-frame-Kompression, die Informationen zwischen mehreren Frames analysiert, um die Datenmenge effizient zu minimieren. Dies macht H.264 ideal für Streaming-Anwendungen wie Netflix oder YouTube, bei denen geringe Bitraten und Speicherbedarf im Vordergrund stehen. Für AV-over-IP-Anwendungen zeigt H.264 jedoch Schwächen. Die Inter-frame-Verarbeitung führt zu einer höheren Latenz, was bei Echtzeit-Übertragungen – etwa in Konferenzräumen oder Kontrollzentren – problematisch sein kann.
Bild: SDVoE Alliance
„Die Zukunft von AV over IP liegt in der Standardisierung“, Justin Kennington, Präsident der SDVoE Alliance
Bild: Tomei-AV Consulting
„AV over IP ist derzeit der große Renner“, Mike Tomei, Berater für AV-Design im Hochschulbereich
„Im Gegensatz zum stoßweisen Webbrowser-Verkehr Ihres PCs verbraucht AV over IP große Mengen an Bandbreite über lange Zeitspannen hinweg“, Laurent Masia, Director of Product
bei Netgear
Bild: Imagine Communication
„SMPTE ST 2110 (...) wird die Art, wie wir Inhalte produzieren und übertragen, revolutionieren“, John Mailhot, Systems Architect for IP Convergence bei Imagine Communications
Bildkomprimierung mit JPEG 2000 und JPEG XS
Für Anwendungen, bei denen Latenz eine zentrale Rolle spielt, sind Intra-frame-Verfahren wie JPEG 2000 und JPEG XS besser geeignet. Beide Formate komprimieren jedes Bild unabhängig, was die Latenzzeiten erheblich reduziert. JPEG 2000 bietet eine nahezu verlustfreie Bildqualität und wird häufig in Szenarien mit hoher Bandbreite und separater IT-Infrastruktur genutzt. Es ist besonders in der Filmproduktion verbreitet, wo höchste Bildqualität im Vordergrund steht. Allerdings ist JPEG 2000 rechenintensiv, was es in Echtzeitanwendungen mit begrenzten Ressourcen weniger praktikabel macht.
JPEG XS, eine neuere Entwicklung, wurde speziell für IP-Netzwerke optimiert. Es kombiniert extrem niedrige Latenz mit hoher Bildqualität und geringem Ressourcenbedarf. Dank dieser Eigenschaften wird JPEG XS zunehmend in Anwendungen wie Konferenzräumen, Kontrollzentren und 4K/8K-Übertragungen eingesetzt.
Die Wahl des Komprimierungsformats sollte gut überlegt sein. „Für ein erfolgreiches Design ist es entscheidend zu verstehen, welche Komprimierungstechnologien verwendet werden und welche Kompromisse diese mit sich bringen“, sagt Rob Carter, Technologiemanager für DigitalMedia bei Crestron. Als Faustregel für die beiden beliebtesten Optionen im AV-Bereich kann man sich merken: H.264 optimiert die Bandbreite, während JPEG 2000 die Latenz optimiert.
Ähnlich äußert sich Paul Harris, CEO von Aurora Multimedia. „Das Schöne an IP ist, dass es viele Wege gibt, das Ziel zu erreichen,“. sagt er. Die Anwendung bestimmt die zulässige Bildqualität, Bandbreite und Latenzzeit. „Bei geringer Bandbreite bietet sich H.264 an, allerdings mit Einbußen bei der Latenz und der Bildqualität aufgrund der hohen Komprimierung.
Wenn mehr Bandbreite zur Verfügung steht, gibt es visuell verlustfreie Komprimierungen mit geringer Latenz, wie JPEG 2000, die Bilder mit höherer Qualität und geringerer Latenz liefern. Wenn die Bandbreite keine Rolle spielt und eine latenzfreie Übertragung ohne Komprimierung wichtig ist, kann dies mit einer 10G-Netztopologie erreicht werden.“.
Audio-, Video- und Meta-Daten werden bei SMPTE ST 2110 separat durch das Netzwerk transportiert und können über Multicast an verschiedenen Stellen des Netzwerks unabhängig voneinander verarbeitet werden (Bild: Hitachi)
SDVoE vs. SMPTE ST 2110
Neben Kompressionstechnologien spielen Standards eine entscheidende Rolle, die Interoperabilität und Effizienz im AV-over-IP-Bereich sicherstellen. Zu den führenden Standards in diesem Bereich gehören SDVoE und SMPTE ST 2110. Sie bedienen unterschiedliche Anforderungen.
SDVoE (Software Defined Video over Ethernet) wurde von der SDVoE Alliance, einem Zusammenschluss führender AV-Hersteller, entwickelt. Der Standard definiert die Übertragung von unkomprimierten 4K-Videosignalen mit extrem niedriger Latenz über Ethernet-Netzwerke. Durch die Trennung von Video-, Audio- und Steuerdaten in separate Streams bietet SDVoE hohe Flexibilität und ersetzt zunehmend traditionelle Matrix-Switches. Die häufige Verwendung von JPEG XS macht SDVoE besonders für Echtzeitanwendungen wie Konferenzräume und Event-Technik attraktiv.
Im Gegensatz dazu richtet sich SMPTE ST 2110 primär an die Anforderungen der Broadcast-Industrie. Er wurde von der Society of Motion Picture and Television Engineers eingeführt und setzt auf unkomprimierte oder allenfalls leicht komprimierte Formate. Der offene Standard ermöglicht die separate Übertragung von Audio-, Video- und Metadatenströmen und bietet enorme Flexibilität bei der Synchronisierung und Bearbeitung. Das Protokoll ist die wichtigste Richtlinie für Rundfunk- und Medienproduktion, die höchste Anforderungen erfüllt, und wird in großen Produktionsumgebungen wie Fernsehstudios, Sportstadien und Medienhäusern genutzt.
„SMPTE ST 2110 hat sich als Rückgrat der modernen Medienproduktion etabliert und wird die Art, wie wir Inhalte produzieren und übertragen, revolutionieren“, betont John Mailhot, Systems Architect for IP Convergence bei Imagine Communications. Da immer mehr Hersteller ihre Geräte SMPTE-ST-2110-kompatibel gestalten, wird dieser Standard künftig eine noch größere Rolle im AV-over-IP-Markt spielen.
In aller Kürze lässt sich sagen: Während SDVoE eine proprietäre Plattform mit API-Unterstützung bietet, zielt SMPTE ST 2110 auf maximale Interoperabilität und Präzision in Broadcast-Umgebungen. Beide Standards tragen dazu bei, die Möglichkeiten von AV over IP in ihren jeweiligen Bereichen voll auszuschöpfen.
NDI: Flexibilität für niedrige Bitraten
Für Anwendungen, bei denen Bildqualität und Netzwerkbandbreite weniger anspruchsvoll sind, hat sich der von NewTek entwickelte NDI-Standard (Network Device Interface) etabliert. Dieser proprietäre Standard wurde speziell für Videoproduktionen und kreative Workflows entwickelt. Er ermöglicht die Übertragung von Video-, Audio- und Metadaten in hoher Qualität bei relativ geringer Latenz.
NDI ist eine softwarebasierte Lösung, die kostengünstig und einfach einzurichten ist, da keine spezielle Hardware oder dedizierte Netzwerkinfrastruktur erforderlich ist. Durch adaptive Kompression passt sich NDI flexibel an die verfügbare Bandbreite an und kann sowohl unkomprimierte als auch komprimierte Streams unterstützen. Zusätzlich erleichtert die automatische Erkennung von Geräten und Streams im Netzwerk die Integration in Produktionsumgebungen erheblich.
Dank dieser Eigenschaften ist NDI ideal für kleinere bis mittelgroße Studios, Bildungseinrichtungen, Webinare und Livestreams. Auch im eSports und Online-Streaming hat NDI an Bedeutung gewonnen, da der Standard mit geringen Hardwareanforderungen und ohne aufwendige Netzwerkanpassungen auskommt. Viele kleinere Produktionsfirmen und Livestreaming-Anbieter schätzen die Flexibilität und Kosteneffizienz von NDI, insbesondere wenn keine große Netzwerkbandbreite verfügbar ist.
Im Vergleich zu den führenden Standards SDVoE und SMPTE ST 2110 nimmt NDI eine pragmatischere Rolle ein:
SDVoE konzentriert sich auf extrem niedrige Latenz und unkomprimierte Videoübertragung für professionelle AV-Umgebungen.
SMPTE ST 2110 richtet sich an Broadcast-Produktionen, bei denen unkomprimierte Qualität, exakte Synchronisation und die Trennung von Audio-, Video- und Metadatenströmen im Vordergrund stehen.
NDI hingegen bietet eine softwarebasierte, kostengünstige Lösung, die besonders dann attraktiv ist, wenn Flexibilität und einfache Einrichtung wichtiger sind als kompromisslose Qualität oder minimale Latenz.
Mit diesen Unterschieden ergänzen sich die drei Standards und decken gemeinsam eine breite Palette von Anforderungen im Bereich AV over IP ab.
Emerging Standards: IPMX
Aktuell ist Standardisierung von AV over IP weiter im Fluss. Neben den etablierten Standards und Protokollen gibt es aufkommende Normen, die zunehmend in den Fokus rücken. Eine davon ist IPMX (Internet Protocol Media Experience) – entwickelt für den Einsatz in Netzwerken mit geringer Latenz bei einer hohen Interoperabilität. IPMX zielt darauf ab, die Fragmentierung im professionellen
AV-Markt zu verringern.
IPMX basiert auf den Prinzipien von SMPTE ST 2110, und ist speziell für den professionellen AV-Markt optimiert. Es soll vor allem die Interoperabilität zwischen AV- und Broadcast-Anwendungen verbessern und gleichzeitig die Komplexität und Kosten – siehe SMPTE ST 2110 – für den professionellen AV-Bereich senken.
Ein zentrales Merkmal von IPMX ist die Unterstützung sowohl unkomprimierter als auch komprimierter Formate wie JPEG XS. Es integriert Video, Audio, Steuerdaten und Digital Rights Management (DRM) in einem einzigen IP-Netzwerk. Dadurch schließt IPMX die Lücke zwischen Broadcast-Standards wie SMPTE ST 2110 und AV-spezifischen Lösungen wie SDVoE und NDI.
Im Vergleich zu NDI bietet IPMX eine robustere technische Grundlage und ist besser für größere, interoperable Installationen geeignet. Damit positioniert sich IPMX als vielversprechende Lösung für professionelle AV-Anwendungen, die auf hohe Qualität und offene Standards setzen.
Hemmfaktor Fragmentierung
Experten erwarten, dass SMPTE ST 2110 und JPEG XS in den nächsten Jahren weiter an Bedeutung gewinnen werden. „SMPTE ST 2110 wird der Standard für Rundfunk- und Medienproduktion sein und den Wechsel von SDI zu IP-basierten Systemen vorantreiben“, sagt John Mailhot, Systems Architect for IP Convergence bei Imagine Communications, einem führenden Anbieter im Bereich Media Software, Video-Infrastrukturlösungen und Signalverarbeitung.
Gleichzeitig stellt aber auch die Vielzahl an Standards im Bereich AV over IP ein Hindernis für die Verbreitung der Technologie dar. Die Fragmentierung durch unterschiedliche Standards und Systeme schränkt die Flexibilität und Skalierbarkeit von AV-over-IP-Lösungen ein.
Zwar fokussieren sich Protokolle wie SDVoE, NDI, Dante AV oder H.264/H.265 auf unterschiedliche Anforderungen wie Latenz, Bandbreite oder Bildqualität. Dennoch kann diese Fragmentierung zu Kompatibilitätsproblemen führen und die Integration erschweren, da Geräte verschiedener Hersteller oft nur eingeschränkt zusammenarbeiten. Universelle Standards, die eine nahtlose Interoperabilität ermöglichen würden, sind derzeit noch Mangelware.
Ein weiterer wichtiger Hemmfaktor für die zügige Verbreitung von AV over IP ist die Netzwerkinfrastruktur. Hochauflösende Anwendungen wie 4K oder 8K setzen hohe Bandbreiten und geringe Latenzen voraus, die in vielen Netzwerken nicht gewährleistet sind. Laurent Masia, Director of Product Line Management for Managed Switches and Modules bei Netgear, erklärt: „Im Gegensatz zum stoßweisen Webbrowser-Verkehr Ihres PCs verbraucht AV over IP große Mengen an Bandbreite über lange Zeitspannen hinweg. Bei der Paketierung mit einer 1G AV-over-IP-Technologie wird jedes Video zu einem vollwertigen Multicast-Stream mit 1 Gbit/s.“
Hemmfaktor Sicherheit
Wollen Unternehmen AV over IP realisieren, müssen sie deshalb ihre Netzwerkinfrastruktur aufrüsten oder eigene dedizierte Netzwerke für AV-Anwendungen einrichten – was mit hohen Kosten verbunden ist. Solange Netzwerkengpässe nicht kosteneffizient gelöst werden können, bleibt die vollumfängliche Nutzung von AV over IP in vielen Szenarien deshalb eingeschränkt. Eine Möglichkeit besteht darin, eine bestimmte Menge an Bandbreite für andere Zwecke als AV zu reservieren. Oder AV in einem völlig separaten Netzwerk zu hosten, heißt es in einem Paper von Arista Pro AV.
Sicherheitsvorbehalte sind ein weiterer Hemmschuh für die Übertragung von Audio- und Videodaten über IP-Netzwerke. IP-basierte Netzwerke sind anders als herkömmliche Technologien potenziell anfällig für Cyberangriffe, wie Datenlecks, unerlaubte Zugriffe oder Manipulationen des Datenstroms. Gerade in Bereichen wie Unternehmenskonferenzen, medizinischer Telemedizin oder der Sicherheitstechnik können unerlaubte Zugriffe auf Audio- und Videoinhalte erhebliche Schäden anrichten oder vertrauliche Informationen kompromittieren.
Die Sicherung von AV-Streams gegen unbefugten Zugriff und Datenlecks ist daher eine zentrale Aufgabe für IT-Abteilungen, die zunehmend mit AV-Teams zusammenarbeiten müssen. Dies erfordert jedoch oft zusätzliche Investitionen in Netzwerkverschlüsselung, Firewalls und Zugangskontrollen – und stellt IT-Abteilungen vor neue Herausforderungen, da sie dann auch für die Sicherheit von AV-Komponenten verantwortlich sind.
Fehlende Sicherheitslösungen oder Unsicherheiten bei der Implementierung von Sicherheitstechnologien führen dazu, dass viele Unternehmen die vollständige Einführung von AV over IP verzögern oder sie nur begrenzt nutzen.
Hemmfaktor Skepsis
Die relativ hohe Komplexität, die Notwendigkeit des Know-hows sowohl im AV- als auch im IT-Bereich sowie die Einrichtung und Verwaltung von AV-over-IP-Netzwerken überfordern viele Unternehmen. „IT-Manager erwarten zunehmend, dass AV-Systeme in Unternehmensdatennetze integriert werden, aber sie sind möglicherweise nicht mit den spezifischen Anforderungen von Audio-over-IP-Systemen und den üblichen AV-Praktiken vertraut“, heißt es bei Audinate, dem Entwickler der Dante-Protokolle. AV-Fachleute, heißt es weiter, sind häufig nicht über die Belange und Ziele der IT informiert. Das kann dazu führen, dass die Installateure für solche Fragen schlecht gerüstet sind.
Ein nicht zu unterschätzender Faktor ist auch die Skepsis gegenüber der neuen Technologie, insbesondere bei Unternehmen und Organisationen, die über langjährige Erfahrung mit traditionellen AV-Systemen verfügen. Der Übergang von etablierten Standards wie HDMI und SDI zu IP-basierten Systemen erfordert nicht nur eine technische Anpassung, sondern auch ein Umdenken im Unternehmen. Manche Entscheider stehen der Umstellung skeptisch gegenüber und zögern, die neuen Systeme zu implementieren, solange traditionelle Lösungen zuverlässig funktionieren.
Schließlich sind auch die Kosten nicht zu unterschätzen. Die vollständige Nutzung von AV over IP ist mit erheblichen Anfangsinvestitionen verbunden. Neben den Ausgaben für spezialisierte AV-over-IP-Geräte und Netzwerkkomponenten wie Encoder, Decoder und Managed Switches müssen viele Unternehmen auch in ihre Netzwerkarchitektur investieren, um den gestiegenen Anforderungen an Bandbreite und Qualität gerecht zu werden.
Die Gesamtkosten für eine AV-over-IP-Lösung können für kleinere und mittlere Unternehmen eine Barriere darstellen, vor allem wenn bereits bestehende AV-Systeme funktionsfähig sind und der finanzielle Anreiz zum Wechsel gering ist. In Branchen mit knappen Budgets, wie etwa im Bildungssektor oder bei Non-Profit-Organisationen, stellt dies ein signifikantes Hindernis dar.
Zukunftsaussichten
Insgesamt lassen sich die Hindernisse für AV over IP auf einen Mix aus technischen, finanziellen und kulturellen Barrieren zurückführen. Ihr volles Potenzial wird die Technologie sicher erst dann entfalten können, wenn diese Hürden schrittweise abgebaut und die Standards weiter harmonisiert werden. Gerade in einer zunehmend vernetzten und digitalen Welt wird AV over IP aber in vielen Bereichen an Bedeutung gewinnen und langfristig zum neuen Standard in der Übertragungstechnik werden.
Durch die zunehmende Standardisierung und die Fortschritte in der Netzwerktechnologie wird es in Zukunft einfacher, Inhalte flexibel und in hoher Qualität zu übertragen. Auch durch die Weiterentwicklung und Harmonisierung von Standards wie SMPTE ST 2110, JPEG XS, NDI, AES67 und IPMX wird AV over IP in der Lage sein, neue Maßstäbe zu setzen und sich als zentrale Infrastruktur für die audiovisuelle Übertragung in verschiedensten Branchen durchzusetzen.
Zudem wird erwartet, dass zukünftige Standards noch stärker auf Sicherheitsaspekte eingehen, um die zunehmende Gefahr von Cyberangriffen zu minimieren. Mit der wachsenden Integration von AV-over-IP-Technologie in öffentliche und private Netzwerke wird die Absicherung der Inhalte gegen unerwünschte Zugriffe und Manipulationen ein zentrales Thema für die weitere Entwicklung der Standards sein.
Die Welt von AV over IP entwickelt sich ständig weiter. Vicom hat in seinem „Ultimate Guide to AV over IP“ fünf aufkommende Trends und Technologien benannt: 8K-Videounterstützung, KI-Integration zur automatischen Optimierung von Inhalten und zur vorausschauenden Wartung, 5G-Integration mit neuen Möglichkeiten für mobile AV-over-IP-Anwendungen, Cloud-basiertes AV-Management für mehr Flexibilität und Fernzugriff sowie IoT-Integration mit AV-over-IP-Systemen als intelligentere, besser vernetzte Umgebungen. •
Wer profitiert besonders von AV over IP?
AV over IP bietet für eine Vielzahl von Branchen und Anwendergruppen Vorteile, insbesondere für solche, die auf flexible und skalierbare Lösungen für die Übertragung von Audio- und Videoinhalten angewiesen sind. Zu den Hauptprofiteuren gehören folgende:
Organisationen mit modernen Konferenz- und Schulungsräumen: Firmen, die regelmäßige Konferenzen und Schulungen abhalten, profitieren enorm von AV-over-IP-Systemen. Durch die flexible Steuerung und Verteilung von Video- und Audiostreams lassen sich Inhalte mühelos zwischen Konferenzräumen teilen oder an Remote-Standorte übertragen – ohne dass eine aufwendige Verkabelung nötig ist.
Bildungseinrichtungen: Schulen, Universitäten und Ausbildungszentren setzen zunehmend auf digitale Lernumgebungen. Mit AV over IP können Lehrkräfte Unterrichtsmaterialien, Vorlesungen und Multimedia-Inhalte unkompliziert in verschiedene Räume oder an Studierende im Homeoffice streamen. Zudem ermöglichen IP-basierte Netzwerke interaktive Lehrmethoden und virtuelle Exkursionen.
Veranstaltungs- und Unterhaltungsindustrie: In Stadien, Konzerthallen und Veranstaltungszentren ermöglicht AV over IP die Übertragung von Livestreams, Kamerabildern und Audiostreams in Echtzeit. Aufgrund ihrer guten Skalierbarkeit können die Systeme für Veranstaltungen jeder Größe angepasst werden, sei es für lokale Konzerte oder internationale Sportveranstaltungen.
Gesundheitswesen: Kliniken und Arztpraxen profitieren von AV-over-IP-Lösungen in den Bereichen Fernüberwachung und Schulung. Live-Übertragungen von Operationen oder Behandlungen können in Konferenzräume oder Schulungszentren übertragen werden, was medizinischem Fachpersonal und Studierenden zugutekommt. Zudem wird der Informationsaustausch zwischen Abteilungen durch vernetzte Video- und Audiolösungen erleichtert.
Sicherheits- und Überwachungssektor: In der Sicherheitsbranche wird AV over IP eingesetzt, um Überwachungskameras und Audiosysteme effizient zu vernetzen. Bilder und Töne können über IP-Netzwerke in Echtzeit an Sicherheitszentralen übertragen werden. Dies steigert die Reaktionsfähigkeit und ermöglicht eine präzise Überwachung mehrerer Standorte.
Medien- und Rundfunkindustrie: Medienhäuser und Rundfunkanstalten, die auf Live-Berichterstattung und Produktion von Inhalten angewiesen sind, können durch AV over IP schnell und effizient Audio- und Videoquellen im Studio und auf dem Gelände integrieren. Das erleichtert eine rasche Content-Produktion und das Management komplexer Setups, etwa bei Live-Übertragungen.