Kommunikationsraum
Ist der Inhalt die Botschaft oder das Medium?

Kolumne: Kurt Ranger über das Verhältnis von Kommunikation und Medientechnik

Merkwürdigerweise gelten audiovisuelle Medien immer noch als modernste und zeitgemäßeste Form der Vermittlung. Also Medien, die über Projektionen, Bildschirme, LED-Walls, Touchscreens, in stationärer oder mobiler Form die visuellen und auditiven Sinne des Menschen durch Bild und Ton bedienen. Dabei ist das Medium seit der Einführung des Fernsehens bis in die Privaträume eigentlich eine Errungenschaft, die sich in Europa seit über 50 Jahren durchgesetzt hat. Noch vor etwa zehn Jahren sagte ein Museumsdirektor zu mir, dass es einfacher sei, Geld für mediale Bespielungen zu bekommen als beispielsweise für Vitrinen. Dies gilt wahrscheinlich auch heute noch. Der Nimbus der Moderne wirkt hier nach.

Kurt RangerDoch wie steht es mit dem Verhältnis zwischen der Kernaufgabe von Kommunikation zum Einsatz von Medien? In der Theorie transportieren Medien Botschaften von A nach B. Botschaften sind in diesem Sinn Inhalte, die Informationen vermitteln. Vielleicht Wissen, vielleicht Unterhaltendes, vielleicht – im besten Fall – beides zugleich. Den Medien, in diesem Fall den audiovisuellen, obliegt die Speicherung und der Transport dieser Inhalte zum individuellen oder zu einer Gruppe von Nutzern.

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Besonders beliebt ist dabei der Begriff Interaktivität. Im Sinne der Theorie kann das eine rückwirkende Information des Nutzers B zurück zu A sein. Oder sogar weitergehend, dass der oder die Nutzer B das mediale Geschehen oder die Inhalte selbst beeinflussen. Soweit die theoretischen Überlegungen. In der Welt der Medien – zu Hause, unterwegs auf Messen, in Ausstellungen, Markenwelten und auch Museen – stellen sich diese Fragen oft anders: Gibt es überhaupt genügend sinnvolle Inhalte, die den Einsatz von AV-Medien rechtfertigen? Oder ist die „Modernität“ des Mediums die eigentliche Botschaft?

Es scheint oft eine Diskrepanz zwischen dem technischen Aufwand und dem spärlichen Inhalt zu bestehen. Der Medientheoretiker Marschall McLuhan formulierte in den 1960er-Jahren den Satz „The Medium ist the message“. Durch einen Schreibfehler des Schriftsetzers entstand dann der Titel „The medium is the massage“. Der Gedanke dahinter war, dass das Medium selber die eigenen Botschaften kreiert, indem es den Betrachter herausfordert, aus den angebotenen Puzzleteilen, den Pixeln, den Bewegungen und Zusammenhängen Botschaften herauszulesen. Aus meiner Sicht als funktional denkender Designer scheint McLuhan paradoxerweise recht zu haben: Auf der Suche nach dem Einsatz moderner Medien und neuer Software werden Medien bisweilen nur des Mediums wegen eingesetzt. Diese funktionieren dann häufig nicht „richtig“, wirken aber modern.

Nicht selten erlebt man, dass mediale Installationen schlicht nicht funktionieren, weil der Nutzer sie nicht versteht – und deshalb von einer betreuenden Person angeleitet werden muss. Die Erfahrung zeigt: Es gibt mehr technische Möglichkeiten als sinnvolle Inhalte. Deshalb gibt es die Tendenz, um der Originalität willen mit unnötig aufgeblasenen Funktionen zu spielen. Ein Beispiel, gesehen in einem Automuseum: ein etwa 10 m langer Tisch, auf den von oben Bilder historischer Fahrzeuge aufprojiziert werden. Durch Berühren der Bilder ploppen Textinformationen zu den Fahrzeugen auf. Man hätte diese Installation auch grafisch lösen können, ohne Beamer, indem man die knappen Texte gleich daneben geschrieben hätte. Wir reden heute viel über Nachhaltigkeit. Gehört dieser Gedanke nicht auch in die Konzeption von kommunikativen Räumen? Im Sinne des Sparens von Geld und von Strom?

Ein anderes Beispiel: Eine Kugel mit einem Durchmesser von 3 m zeigt das neue Styling des Fußballs, mit dem die Fußballweltmeisterschaft ausgespielt werden soll. Wir sehen als Besucher also eine sehr große Projektion eines Balles auf eine Kugel, die sich mit knappen Textinformationen abwechselt. Man hätte einen solchen Ball auch als Original ausstellen können oder als vergrößerten Nachbau mit mehrfachem Durchmesser, gefertigt aus Originalmaterial. Für einen Messestand des Ball-Herstellers würde die Installation des projizierten Balls Sinn ergeben, denn dort gilt es, in einem sehr unruhigen Umfeld die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Aber in einem Museum, für dessen Besuch Eintritt bezahlt wird, wirkt ein solches Product Placement aus meiner Sicht deplatziert.

Ein gelungenes Beispiel: Über iPads können Besucher einer internationalen Bank über eine begehbare Bodenkarte mit aufgebrachten Zeichen bestimmte Länder identifizieren und erhalten durch Bestätigen eines Impulses weitere Informationen über ein Land, dessen Wirtschaftskraft, kulturelle Eigenheiten und vieles mehr angeboten. Über das iPad werden alle europäischen Sprachen abrufbar. Damit keine Missverständnisse entstehen: Unter Berücksichtigung aller Aspekte sind audiovisuelle Medien wichtig und sie können in ganz besonderer Weise Botschaften vermitteln. Und Emotionen erzeugen. Im Zusammenspiel von Bild und Ton sind dort besonders überzeugende Wirkungen möglich, welche die Menschen tief berühren können. Wo es bewegte Bilder und Bewegungsabläufe gibt, sind audiovisuelle Medien nicht zu übertreffen. Dort liegt die eigentliche Kernkompetenz dieser Medien.

Ein anderer Vorteil stellt die Möglichkeit dar, dem Benutzer Auswahlmöglichkeiten zu geben und ihn an einem prozesshaften Geschehen teilnehmen zu lassen. Die Medien haben Zukunft. Und brauchen Inhalt, der Sinn macht. Aber alle Teile müssen in ein Gesamtkonzept integriert sein. Dieses Konzept sollte alle Möglichkeiten von Kommunikation im Raum gleichwertig behandeln und deren Potenzial sinnvoll in einer kommunikativen Choreographie zusammenführen. Dazu gehören: ein schlüssiges Drehbuch und Authentizität!

 

Autor: Kurt Ranger

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