Kommunikationsraum
Multisensorische Reize unter der Lupe

Hintergrundmusik im Verkaufsraum

Wie wirkt sich das Zusammenspiel von Hintergrundmusik und Bodenbelag im Verkaufsraum auf die Kunden aus? Jun.-Prof. Dr. Monika Imschloß zeigt im Interview Antworten aus ihrer Studie „Multisensorisches Marketing – Eine empirische Untersuchung zum Einfluss auditiver und haptischer Reize auf das Konsumentenverhalten” auf.

Europa-Galerie in Saarbrücken
Europa-Galerie in Saarbrücken

Zum Thema Hintergrundmusik im Verkaufsraum wurde in den vergangenen Jahrzehnten bereits eine ganze Reihe Studien durchgeführt, die sich mit unterschiedlichen – singulären – Aspekten der Musikbeeinflussung beschäftigen. Eine Grundlagenstudie zeigt z. B., dass französische Hintergrundmusik in einer Weinabteilung zum Kauf von französischen Weinen anregt, deutsche Hintergrundmusik zum Erwerb von deutschem Wein usw. Eine andere Grundlagenstudie weist unterschiedliche Wirkungsweisen bei schneller und langsamer Hintergrundmusik nach und wieder andere Studien konzentrieren sich auf Parameter wie Lautstärke oder Genre. Erst vor wenigen Jahren wurde damit begonnen, die Interaktion von zwei gleichzeitig vorhandenen sensorischen Reizen zu untersuchen, was vor allem daran liegt, dass es sehr schwer ist, experimentell zwei, drei oder mehr Reize simultan zu manipulieren und einen entsprechenden Effekt wissenschaftlich nachzuweisen.

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Dieser Herausforderung hat sich jedoch Jun.-Prof. Dr. Monika Imschloß von der Universität zu Köln im Rahmen ihrer Doktorarbeit gestellt. Unter dem Titel „Multisensorisches Marketing – Eine empirische Untersuchung zum Einfluss auditiver und haptischer Reize auf das Konsumentenverhalten“ hat sie u. a. untersucht, wie sich musikalische Beschallung und der Bodenbelag im Verkaufsraum auf das Verhalten der Kunden auswirken. Ein kurzes Interview mit Jun.-Prof. Dr. Monika Imschloß, deren Doktorarbeit im Jahr 2016 mit dem Förderpreis Handel der Wolfgang Wirichs Stiftung ausgezeichnet wurde:

„Die Haptik ist für das Konsumentenverhalten extrem wichtig“, meint Jun.-Prof. Dr. Monika Imschloß.
„Die Haptik ist für das Konsumentenverhalten extrem wichtig“, meint Jun.-Prof. Dr. Monika Imschloß.

Frau Dr. Imschloß, wie sind Sie auf die Idee gekommen, auditive und haptische Reize im Verkaufsraum zu untersuchen?
Im Bereich der Musik hat man schon vor Jahrzehnten damit angefangen, die Wirkung einzelner musikalischer Parameter, wie zum Beispiel deren Lautstärke, auf das Konsumentenverhalten systematisch zu untersuchen. Dazu gibt es einen eigenen Forschungsstrang, der sehr gut dokumentiert ist. Der Haptik, die für das Konsumentenverhalten ebenfalls extrem wichtig ist, hat sich die Marketingforschung aber erst um die Jahrtausendwende herum intensiver zugewandt, um zu untersuchen, wie haptisches Erleben die Menschen beeinflusst. Die Forschung zeigt z. B., dass Konsumenten einen unterschiedlich stark ausgeprägten Need-for-Touch haben – für einige sind haptische Informationen wichtiger, für andere weniger. Der Ansatz meiner Untersuchung war zu schauen, ob es einen Effekt hat, wenn musikalische und haptische Reize zusammen auftreten. Andere Forschungsarbeiten haben bereits gezeigt, dass die Sinne zusammenspielen – aber die Kombination aus auditivem Reiz und haptischem Reiz war bisher in dieser Form noch nicht untersucht worden.

Und wie sind Sie da auf die Kombination Hintergrundmusik und Bodenbelag gekommen?
Die Überlegung war, ob man die Haptik nicht auch im weiteren Sinne verstehen kann – also nicht nur als direkte Berührung, sondern auch im Sinne der Kinästhetik, sprich Körperempfinden. So wie uns unser Körper Rückmeldung gibt, ob wir auf etwas Weichem oder etwas Hartem sitzen, so teilt er uns über die Gelenke und Sehnen auch etwas über die Haptik des Fußbodens mit. Da dieser in jedem Verkaufsraum ein integrales Element ist und zudem in diesen Umgebungen sehr häufig Musik gespielt wird – es ist der am häufigsten bewusst verwendete Reiz –, haben wir diese Komponenten verknüpft.

Wie kann man sich das in der Praxis vorstellen?
Die empirische Studie wurde in einem Lederwarenfachgeschäft durchgeführt. Hier wurden systematisch Teppichinseln im Geschäft ausgelegt oder entfernt. Parallel dazu wurde auch systematisch die Musik verändert, so dass die Kunden entweder Musik gehört haben, die eher als weich oder eher als hart wahrgenommen wurde. Dabei haben wir nicht versucht, die sensorische Wahrnehmung von Produkten zu beeinflussen, sondern wir haben vielmehr untersucht, wie bestimmte Kombinationen von Musik und Fußboden das Konsumentenverhalten beeinflussen können. Genauer gesagt hat uns interessiert, ob positive Effekte von multisensorischer Kongruenz im Vergleich zu Inkongruenz auftreten. Dafür wurden sowohl kongruente als auch inkongruente Bedingungen getestet, also z. B. harte Musik in Kombination mit hartem Boden, weiche Musik mit hartem Boden oder weiche Musik mit weichem Boden etc. Unter diesen unterschiedlichen Bedingungen haben wir eine Produktevaluation vorgenommen, d. h. die Kunden bzw. Testpersonen sollten jeweils eine Lederbörse beurteilen.

Und was ist dabei herausgekommen?
Wir haben festgestellt, dass kongruente Bedingungen im Vergleich zu inkongruenten dazu führen, dass sich die Menschen insgesamt wohler und sicherer fühlen. Und das führt auch dazu, dass das Produkt in einer kongruenten Umgebung positiver bewertet wird. Das lässt sich übrigens auch theoretisch durch die Tatsache untermauern, dass Menschen ihre Umwelt holistisch wahrnehmen und nach Mustern in der Umgebung suchen. Darauf basierend ist es häufig so, dass kongruente Reize, die irgendeine Redundanz in ihrem Informationsgehalt haben, leichter zu verarbeiten sind, weil sie ein kohärentes, stimmiges Gefühl von der Umgebung vermitteln. Dadurch entsteht weniger Störgefühl und man fühlt sich in solchen Umgebungen wohler.

Bedeutet das, dass Hintergrundmusik und Bodenbelag immer kongruent sein sollten?
Ich denke, dass man diese Studie nicht auf Fußböden und Musik reduzieren sollte. Vielmehr sollte man darauf schauen, was das Ergebnis insgesamt bedeutet: Händler sollten die eingesetzten Reize im Ladenlokal kongruent abstimmen und ein konsistentes Bild erzeugen, damit sich die Konsumenten wohlfühlen. Ich glaube, darin liegt die praktische Relevanz der Studie. Abgesehen davon, ob man konkret über Musik und Böden nachdenkt, geht es darum zu verstehen, dass die Kongruenz sensorischer Reize ein sehr wichtiger Aspekt bei der Gestaltung von multisensorischem Marketing ist.

Vielen Dank für das Gespräch.

 

Interview: Claudia Rothkamp 

Hier erfahren Sie, wie man Hintergrundmusik als Marketingtool richtig einsetzt. 

 

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