Der Architekt Markus Mucha, der Raumakustiker Christian Kimmig und Clemens Sturm von Shure erörtern im Interview Details in Sachen Planung und Ausführung zur Errichtung der Shure-Firmenzentrale bei Eppingen. Worauf war zu achten, damit Design und Sound ein einheitliches Bild vermitteln?
In vielen Bauprojekten ist eine gute Raumakustik leider oft genug kein Ziel, das planerisch verfolgt wird. Die Resultate sind dann meist auch dementsprechend. Im Shure Firmengebäude scheint das anders gewesen zu sein.
Markus Mucha: Akustik wurde seitens der Bauherrschaft schon bei Projektbeginn thematisiert. Dies hat uns auf der Planerseite auch entsprechend sensibilisiert. Gute Raumakustik war Planungsziel.
Clemens Sturm: Ziel war es, Räume zu schaffen, die der Applikation und auch der Raumbezeichnung gerecht werden, so dass der Videokonferenzraum zum Beispiel nicht nach „Badezimmer” klingen darf. Dort, wo die anspruchsvollsten Veranstaltungen stattfinden, hier seien der multifunktionale Raum, der Boardroom, der Videokonferenzraum oder auch das Studio genannt, wurde sicherlich am meisten darauf geachtet, die Absorption zu Gunsten kürzerer Nachhallzeiten hoch zu halten. Christian Kimmig: Es ist natürlich für eine Firma, die Audioprodukte verkauft und vertreibt, auch sehr wichtig, akustisch im eigenen Gebäude, besonders in den Demoräumen, eine gute Akustik zu haben. Die Produkte können so dem Kunden in optimaler Umgebung präsentiert werden. Das war von vornherein sehr wichtig.
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Auch die Büros und das Foyer scheinen unter dem Gesichtspunkt der Raumakustik bestens zu funktionieren. Wie kam das zustande?
Markus Mucha: Es gibt grundsätzlich drei Ansatzpunkte: Man muss versuchen, in allen Räumen möglichst viel Oberfläche als akustisch wirksame Fläche zu nutzen. Diese erhalten dann akustisch möglichst hochwertige Bekleidungen. Zusätzlich sollte die Raumgeometrie nicht zu stringent sein, sondern bewusst Störungen enthalten. Im Luftraum über dem Foyer wurden hier geschlossene und offene Flächen spielerisch frei angeordnet.
Christian Kimmig: In den Büroräumen ist natürlich das Betriebsklima mit einer angenehmen Akustik deutlich besser. Gerade bei Vertriebsfirmen, in denen sehr viel in Großraumbüros telefoniert wird, macht eine gute Akustik die Arbeit deutlich angenehmer.
Clemens Sturm: Wie gesagt, der optische Eindruck und auch die Pläne würden anderes vermuten lassen. Fakt ist, dass auch gemessene Störschallpegel bei dieser Art der Ausführung und räumlichen Gestaltung in den Großraumbüros – Thema Sichtbetondecke – mit 40 dB(A) und weniger doch sehr niedrig ausfallen. Bei reiner schallharter Ausführung sieht das normalerweise anders aus. Im Foyer sorgen sicherlich die zu den Umgängen durchbrochenen Wände als gestalterisches Element mit einer dadurch gegebenen Diffusität für ein unkritischeres Nachhallfeld. Wie auch in den Großraumbüros helfen hier die absorbierenden Decken – bereiche, zumindest einen Teil der unerwünschten Reflexionen zu verhindern.
Gab es konkrete Vorbilder, also andere Gebäude, die als Positiv- oder auch Negativbeispiele dienten?
Markus Mucha: Nein. Rückschlüsse kann man bei akustisch gelungenen Gebäuden nur hinsichtlich verwendeter Materialien ziehen, Gebäudegeometrien sind zu individuell, um Konzepte komplett zu übernehmen.
Clemens Sturm: Negativbeispiele könnten wir sicherlich zur Genüge anführen, da wir im täglichen Projektgeschäft häufig damit konfrontiert werden. Es wurden verschiedene Gebäudemodelle und Architektenentwürfe vor- und zur Auswahl gestellt. Die beauftragte Variante wurde dann auf akustische Eigenschaften geprüft und im Zuge der Ausführung weiter optimiert.
Christian Kimmig: Grundsätzlich sind heutzutage sehr viele Negativbeispiele zu finden. Sehr viele Großraumbüros haben schlechte akustische Werte und man fühlt sich dann eher wie auf einem Bahnsteig. Die Konzentration beim Arbeiten leidet da sicher. Konkrete Vorbilder gab es meines Wissens keine. Wir haben uns lieber auf unsere eigene Lösung in Bezug auf die Audio- und Videovernetzung sowie die Integration in die Mediensteuerung konzentriert. Das gilt natürlich auch für die raumakustische Planung.
Das klingt insgesamt nach einem vertrauensvollen und partnerschaftlichen Verhältnis zwischen Bauherrschaft, Architekten und den zuständigen Fachplanern. Stimmt der Eindruck?
Christian Kimmig: Die Zusammenarbeit war sehr kooperativ und angenehm. Wie bei allen Projekten sollte man natürlich schauen, dass man auch als Planer Kompromisse eingeht und einen guten Mittelweg zwischen Kosten, Nutzen und ansprechender Architektur findet.
Clemens Sturm: Als Fachplaner bezüglich Elektroakustik bzw. der AV-Medientechnik und Einbindung von Christian Kimmig für die Raumakustik mussten wir uns nur an die eigene Nase fassen, da wir unser Gewerk selbst geplant und die Umsetzung organisiert haben. Bei den üblichen Reibungsverlusten mit der gestalterischen Seite ging es immer fair zu und darum, für beide Seiten den besten Kompromiss zu finden.
Markus Mucha: Die Zusammenarbeit aller an der Planung Beteiligter war sehr gut. Beim gestalterischen Konzept gab es keine starren Vorgaben seitens der Architektur. Es wurde versucht, alle Vorgaben der Fachplaner zu erfüllen, auch wenn dies größere Änderungen in der Gestaltung nach sich gezogen hat.
Trotz viel Glas und Sichtbeton im Gebäudeinneren herrscht ja praktisch im gesamten Gebäude eine sehr angenehme Akustik. Wie wurde diese erreicht? Welche Maßnahmen wurden ergriffen, welche Materialien verwendet?
Markus Mucha: Im gesamten Gebäude wurde eine mit Holzfaserplatten hinterlegte Akustik-Holzdecke verwendet und zusätzlich Teppichböden in allen Bürobereichen.
Clemens Sturm: Die raumakustisch wirksamen Elemente wurden in Abstimmung mit der Architektenseite soweit es ging maximiert, da wir durch die Gebäudekernaktivierung nicht beliebig große Flächen zur Verfügung hatten – speziell an der Sichtbetondecke. In das Gesamtbild der Raumakustik fließen natürlich auch immer das Interieur und die Formen der Bauelemente ein. Durch unregelmäßige Oberflächen oder Vermeidung großer planparalleler Flächen – etwa im Seminarraum, aber auch die Rückwand des Multifunktionsraums sei an dieser Stelle genannt – kann man Einfluss auf Flatterechos oder auch stehende Wellen nehmen. Die Einrichtung spielt ebenfalls eine große Rolle, selbst wenn die räumlichen Begrenzungsflächen erst einmal schallhart erscheinen. An dieser Stelle zitiere ich immer gerne P. D’Antonio als Entwickler hochwertiger Diffusoren und Absorber. Wenn man möglichst hohe Sprachverständlichkeit und Hörsamkeit erreichen möchte, sagte er: „Diffuse it or loose it”.
Der Multifunktionsraum stellte mit seiner variablen Raumakustik und den unterschiedlichsten Veranstaltungen, die dort stattfinden, sicherlich eine besondere Herausforderung an Architekt und Akustikplaner?
Clemens Sturm: Ja, der Aufwand ist von der planerischen Seite deutlich höher, da hier spezielle Simulationen erfolgten, um festzustellen, wie viel Absorption wo benötigt wird, um das gewünschte Gesamtergebnis zu erzielen. Die kürzeste Nachhallzeit gibt die Raumakustik vor, der Rest wird auf der elektroakustischen Seite erzeugt. Die Kunst des Akustikplaners liegt darin, dem Architekten die gestalterischen Möglichkeiten aufzuzeigen, wie dies mit den gewählten Oberflächenmaterialien umzusetzen ist. Akustisch wirksame Vorhänge im Bühnenbereich und bei der Verdunklung tun ihr Übriges. Auch auf der elektroakustischen Seite wurden zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme und der Tests mit Unterstützung von Vorlieferantenseite teilweise über Nacht neue Firmware-Versionen erzeugt, um das Ergebnis und die Kommunikation der beteiligten Systeme weiter zu optimieren. Auch hier war der Hardwareeinsatz unter Berücksichtigung aller Nutzerszenarien und der Gestaltung der Bedienoberflächen überdurchschnittlich hoch. Das System unterliegt selbst heute immer wieder noch weiteren Optimierungszyklen, wenn sich bei Veranstaltungen und Events herausstellt, dass für die grafische Nutzeroberfläche weitere Funktionalitäten hinzukommen müssen oder auch Szenarien einfacher zu bedienen sein müssen.
Christian Kimmig: Der Multifunktionsraum war bei der Planung der Akustik das Herzstück und hatte diesbezüglich besonderes Augenmerk. Er sollte natürlich, wie der Name verrät, multifunktional sein – auch akustisch – und trotzdem durch Glasfronten viel natürliches Licht zulassen. Auch hier war der Bauherr durchaus bereit, größere finanzielle Anstrengungen auf sich zu nehmen, um optimale Ergebnisse zu erzielen, wie z. B. schräge Wände, um stehende Wellen im Tieftonbereich zu vermeiden, was bei diesen Raumgrößen schon deutliche Veränderungen im Gesamtgebäude verursacht.
Markus Mucha: Der Grundriss wurde den Vorgaben des Akustikers angepasst. Die technischen Einbauten für die Gebäudetechnik wurden gebündelt und als kompakte Einheiten montiert. Dadurch konnten viele Flächen zur Verbesserung der Raumakustik herangezogen werden, auch die Glasflächen wurden auf ein Minimum reduziert.