Welcher Lautsprecher passt zu meiner Anwendung?

Was ist Beschallungstechnik?

Beschallungstechnik ist ein wichtiges Thema: In nahezu jedem öffentlich zugänglichen Raum gibt es heute für vielfältigste Anwendungen Lautsprecher der verschiedensten Art. Das Spektrum reicht von der einfachen Sprachübertragungen über Werbeeinspielungen bis hin zu äußerst anspruchsvollen Projekten in Kinosälen, Theatern und auf Freileichtbühnen mit Surround-Sound-Installationen und Wellenfeldsynthese.

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Mindestens ebenso differenziert stellt sich auf dem Beschallungstechnik-Markt das Angebot an Lautsprechern dar, so dass sich bei jeder Installation erneut die Frage aufwirft, welcher Lautsprecher ist der richtige?

Dieser Beitrag soll dabei helfen, Lautsprecher anhand ihrer technischen Daten besser einschätzen zu können und so die Planungssicherheit zu erhöhen.


Der Inhalt dieses Grundlagen-Artikels:


Frequenzgang

Das meist an erster Stelle gezeigte Messdiagramm eines Lautsprechers ist der Frequenzgang. Zusammen mit einer Sensitivity-Skalierung der Pegelwerte lässt sich daraus ablesen, welchen Frequenzbereich der Lautsprecher bei einer bestimmten Klemmenspannung wie laut wiederzugeben vermag. Die Sensitivity wird dabei meist auf 1 W/1 m bezogen, d. h. auf eine konstante Klemmenspannung, die bezogen auf die Nennimpedanz des Lautsprechers einer Leistung von 1 W entspricht. Das sind z. B. für einen 8-Ohm-Lautsprecher 2,83 Volt.

Abbildung 1 zeigt zwei sehr unterschiedliche Lautsprecher: Die rote Kurve stellt eine typische 12/2-Installationsbox mit einem sehr weit ausgedehnten Frequenzgang dar, der fast den gesamten hörbaren Frequenzbereich abdeckt. Die Box eignet sich damit auch für eine anspruchsvolle Musik- und Sprachübertragung. Die blaue Kurve zeigt einen typischen Trichterlautsprecher mit einer eingeschränkten Übertragungsfunktion, die sich nur für Sprachwiedergabe in minderer Qualität eignet.

Lautsprecher-Messung2

Im für Sprache relevanten Frequenzbereich liegt diese Kurve jedoch 10 dB höher als die der 12/2 Box. D. h. der Trichterlautsprecher vermag in diesem Frequenzbereich mit nur einem Zehntel der Eingangsleistung den gleichen Schalldruck zu erzeugen wie die 12/2-Box. Hinzu kommen bei dieser Beschallungstechnik die erheblich geringeren Kosten für den Trichterlautsprecher und das geringere Gewicht, weniger Baugröße etc.

An diesem recht drastischen Vergleich lässt sich gut erkennen, dass man hier nicht von guten und schlechten Lautsprechern sprechen kann, sondern nur von geeigneten und ungeeigneten. Der erste Schritt bei der Planung einer Lautsprecheranlage ist daher, das zu übertragende Signal und den Qualitätsanspruch zu analysieren. Dabei spielt nicht nur die obere und untere Eckfrequenz der Lautsprecher eine Rolle, sondern auch der Verlauf der Frequenzganges über alles betrachtet, der natürlich möglichst wenig Welligkeiten aufweisen sollte. Schwankungen im Bereich von weniger als ± 3 dB sind für einen Beschallungslautsprecher als sehr gut einzustufen.

Steile Sprungstellen in der Frequenzgangkurve bedürfen eines besonderen Augenmerks, da diese häufig auf klanglich kritische Resonanzen zurückgehen. Letztere sind besonders gut in den so genannten Spektrogrammen auszumachen, wo das Ausschwingverhalten von Lautsprecher dargestellt wird. Abbildung 4 zeigt ein Beispiel, in dem sich eine unscheinbare Sprungstelle im Frequenzgang bei 600 Hz im Spektrogramm als handfeste Resonanz offenbart.

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Maximaler Schalldruck

Im zweiten Schritt der Planung ist dann festzustellen, welcher Pegel auf der Zuhörerfläche erforderlich ist. Abbildung 3 zeigt eine Maximalpegelkurve, die für einen Lautsprecher aus der Sensitivity für 1 W/1 m und der maximalen Belastbarkeit von 800 Watt berechnet wurde. Der theoretisch erreichbare und von der Frequenz abhängige Wert liegt um 29 dB höher als der Pegelwert für 1 Watt Eingangsleistung. Das ist der theoretisch mögliche rechnerische Wert für den Maximalpegel, der weder Verzerrungen noch Powercompression oder anderen störenden Effekten Rechnung trägt.

Lautsprecher-Messung

Die zweite gemessene Kurve (blau) zeigt dagegen den für höchstens 10 % Verzerrungen tatsächlich erreichten Schalldruck dieses Lautsprechers unter Freifeldbedingungen. Ein Grenzwert für die Verzerrungen von 10 % hat sich hier als praxisgerecht bewährt. Für den Beispiellautsprecher fällt auf, dass dieser sich mit der gemessenen Kurve sehr nahe am rechnerischen Verlauf bewegt. Es handelt sich somit um eine seriöse Leistungsangabe und einen guten Lautsprecher mit wenig Powercompression und geringen Verzerrungen. Möchte man mit diesem Lautsprecher z. B. eine Stadiontribüne beschallen, auf der ein angenommener Störpegel von 90 dB vorherrscht, dann benötigt man auf der Publikumsfläche mindestens 100 dB Nutzsignalpegel. Pro Entfernungsverdopplung fällt der Pegel um 6 dB D. h., wenn sich der Lautsprecher 20 m entfernt vom Publikum befinden, muss umgerechnet auf 1 m Entfernung ein Pegel von 126 dB möglich sein. Dieser Anforderung würde der Beispiellautsprecher aus Abbildung 3 für den sprachrelevanten Frequenzbereich gut nachkommen.

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Directivity

Die nächste Frage, die sich jetzt stellt ist, welcher räumliche Winkel von einem Lautsprecher abgedeckt wird. Tiefe Frequenzen werden in der Regel kugelförmig rundum gleichmäßig abgestrahlt und hohe je nach Bauart des Lautsprechers mehr oder weniger stark gebündelt. Dieses mit dem Begriff Directivity bezeichnete Verhalten kann selbstverständlich auch messtechnisch erfasst und dargestellt werden. Dabei kann es sich um Messungen in einer Ebene, meist horizontal und vertikal, handeln, oder auch um ein vollständiges Kugelrasternetz in allen Richtungen um den Lautsprecher herum.

Messungen einer Ebene lassen sich durch einzelne Polardiagramme oder aber einfacher und übersichtlicher durch Isobarenkurven darstellen. Abbildung 5 zeigt ein Beispiel, wo auf der x-Achse des Diagramms die Frequenz aufgetragen ist und auf der y-Achse der Winkel bezogen auf die Mittelachse des Lautsprechers. Der Pegel wird durch die Farbabstufung angezeigt.

Frequenz-Messung

In den Datenblättern wird meist der Öffnungswinkel bis zu einem Pegelabfall von 6 dB (Halbierung) angegeben. Ein solcher Wert könnte z. B. lauten 60° × 40° (H × V). Dieser Abstrahlwinkel gilt jedoch erst oberhalb einer bestimmten Frequenz, die meist nicht näher definiert wird. Eine kompakte 12/2-Box, die mit 50 × 40 Grad definiert ist, wird diese Winkel vermutlich erst jenseits von 2 kHz wirklich einhalten können.

Für tiefere Frequenzen weitet sich der Abstrahlwinkel dann zwangsläufig aus. Große Hornsysteme, wie im Beispiel in Abbildung 5 gezeigt, erreichen ihren nominellen Öffnungswinkel meist schon wesentlich früher. Hier handelt es sich um ein System mit 60° Öffnungswinkel in der horizontalen Ebene. Dieser Winkel wird ab 800 Hz erreicht und auch sehr schön konstant bis zu den höchsten Frequenzen hin eingehalten. Eine solche Isobarenkurve ist als absolut vorbildlich zu bezeichnen.

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Elektrische Impedanz

Neben den akustischen Eigenschaften eines Lautsprechers sind für den Planer auch die elektrischen Anschlusswerte wichtig. Diese werden über die Impedanz definiert. Typische Werte für eine Lautsprecher-Nennimpedanz sind 4, 8 oder 16 Ohm. Der wirkliche Impedanzverlauf eines Lautsprechers hat jedoch nur sehr wenig mit einem konstanten Wert gemeinsam. Der Wert schwankt in der Amplitude und Phase ausgeprägt in Abhängigkeit von der Frequenz. Die Nennimpedanz ist daher definiert als Wert, der nirgendwo um mehr als 20 % unterschritten wird.

Abbildung 2 zeigt hier zwei Beispiele: Bei der nominellen 16-Ohm Box (rot) wird der zugehörige Grenzwert von 12,8 Ohm nirgendwo unterschritten. Die zweite Box, ein 8-Ohm-System, verhält sich dagegen weniger vorbildlich. Hier wird der Grenzwert von 6,4 Ohm über einen weiten Frequenzbereich bei 1 kHz merklich unterschritten bis zu einem Minimum von nur 2,7 Ohm.

Lautsprecher

Moderne Leistungsverstärker sind zwar sehr tolerant gegenüber Impedanzschwankungen aller Art, so dass auch ein 2,7 Ohm Minimum nicht direkt für Probleme sorgen wird. Kritisch wird es jedoch, wenn solche Lautsprecher im Vertrauen auf die Nennimpedanz zu zweit oder sogar zu viert parallel an einem Verstärkerausgang angeschlossen werden, wo man dann dem Kurschluss schon recht nahe kommt.

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Fazit für die Beschallungstechnik

Lautsprecher müssen passend zu ihren Fähigkeiten für ihre Aufgaben ausgewählt werden. Das gelingt am besten über die technischen Daten und dann umso besser, je ausführlicher die Daten sind. Wichtige Eckwerte in der Beschallungstechnik sind der Frequenzgang, die Sensitivity, der erreichbare Maximalpegel und das Abstrahlverhalten. In allen Fällen sind vollständige Diagramme der Messwerte immer einem Einzahlparameter vorzuziehen, weil sich nur so eine genaue Aussage treffen lässt, für welchen Frequenzbereich die Werte Gültigkeit haben. Bei der Planung ist es von größter Wichtigkeit immer alle Größen im Zusammenhang im Auge zu behalten, da nur dann ein rundum zufriedenstellendes Ergebnis möglich wird.

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Kommentare zu diesem Artikel

  1. Klasse Beitrag! Sie schreiben mir aus tiefster Seele.

    Btw: Ich erlaube mir zukünftig bei Schulungen zu diesem Thema Sie zu zitieren:

    “Wie Herr Anselm Goertz es so schön formuliert hat: An diesem recht drastischen Vergleich lässt sich gut erkennen, dass man hier nicht von guten und schlechten Lautsprechern sprechen kann, sondern nur von geeigneten und ungeeigneten.”

    Weiter so!

    Uwe Röddinger, COMM-TEC GmbH, Uhingen

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  2. Danke, dass Sie erklärt haben, was Beschallungstechnik ist. Mein Bruder wünscht sich eine Beschallungsanlage. Ich werde diese Informationen über die Beschallung mit ihm teilen, wenn er sich für eine Beschallungsanlage entscheidet.

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