Wolfgang Vogt: Ein Digital-Signage-Pionier geht in den Ruhestand

Noch bevor es den Begriff Digital Signage überhaupt gab, hatte Wolfgang Vogt Digital Signage bereits bei der AUDI AG eingeführt. Nun hat sich der Digital-Signage-Pionier in den Ruhestand verabschiedet. PROFESSIONAL SYSTEM-Autor Achim Hannemann kennt Wolfgang Vogt seit 30 Jahren und überreichte ihm auf der Abschiedsfeier den Digital Signage Award für sein Lebenswerk. Außerdem führte er ein Interview mit ihm.Wolfgang Vogt(Bild: Audi AG)

Wolfgang, wie bist du überhaupt auf die Idee gekommen, Digital Signage einzusetzen?

Jeder hat in jungen Jahren seinen Traumberuf. Ich wollte zum Film. Meine Eltern hatten aber nicht das Geld, um mich dafür in der Ausbildung zu unterstützen. So verlief alles anders. Mein Berufsleben startete mit einer Lehre als Feinmechaniker und endete als Wirtschaftsingenieur. Eines meiner Hobbys war „computern“, seit es Personal Computer gibt. Ich war stolzer Besitzer mehrerer Commodore Computer, und mit dem Amiga kam ich zu der Multimedia-Software Scala. 1984 startete ich meine Laufbahn bei Audi, und ab 1990 arbeitete ich in der Abteilung Industrial Engineering. Meine Aufgabe war es, den Mitarbeitern am Band neue Technologien vorzustellen. Dafür war Multimedia wie geschaffen.

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Filmen war damals allerdings eine große Herausforderung. Dennoch haben wir mit einem unserer IT-Partner eine selbstlaufende Station aus Amiga 3000 mit Scala, einem Videomischer von Videocomp und einer Sony Umatic Bandmaschine realisiert. Mit einem Sony Röhrenbeamer in einer Rückprojektionswand tourte die automatisch laufende Station durch das ganze Audi-Werk in Ingolstadt und erreichte viele Werker. Aus heutiger Sicht würde man sagen, das war die erste Digital-Signage-Station bei Audi.

Mitarbeiterqualifikation in der Produktion (Rückprojektionseinheit mit Sony Röhrenbeamer, Amiga 3000, Videocomp Mischpult und Sony U-matic-Recorder; SCALA als Software)
1990: Mitarbeiterqualifikation in der Produktion (Rückprojektionseinheit mit Sony Röhrenbeamer, Amiga 3000, Videocomp Mischpult und Sony U-matic-Recorder; SCALA als Software) (Bild: Audi AG)

Was war dein erstes größeres Digital-Signage-Projekt?

Ich denke hier sofort an den digitalen Händler-Showroom, den wir 2004 gestaltet haben. Zu der Zeit war ich bei Audi im Bereich Systemplanung Vertrieb tätig. Mehr oder weniger zufällig zeigte mir ein Kollege aus der Corporate-Design-Abteilung seine Vision für einen digitalen Showroom voller Monitore. Ich bot ihm an, die Technik zu liefern und so kam es dann: 2006 hatten wir die ersten Prototypen, die weltweit an rund 2.000 Audi-Händler ausgeliefert wurden. Basis war wieder Scala, aber bereits auf PC-Basis, da der Amiga längst Geschichte war.

Ein Element des Projekts Audi Digitaler Schauraum – Entwicklung ab 2004
Ein Element des Projekts Audi Digitaler Schauraum – Entwicklung ab 2004 (Bild: Audi AG)

Was waren deine wichtigsten Meilensteine, sichtbaren Projekte, technologischen Fortschritte?

Vieles, was ich in den 1980ern und 1990ern umgesetzt habe, würde man heute nicht Digital Signage nennen. Aber es stellte damals die Weichen. Als ich im Jahr 2000 in die Abteilung Systemplanung Vertrieb gewechselt habe, begann meine echte Digital-Signage-Zeit. Neben den erwähnten digitalen Showrooms rüsteten wir die Audi-Foren Ingolstadt (2008) und Neckarsulm (2010) aus. Beide zusammen haben heute rund 100 stabil laufende Digital-Signage-Stationen.

2010 waren wir ebenso an „Audi Young and Fun“ beteiligt, für das wir zusammen mit den Kollegen der Audi Kommunikation den Innovationspreis der Messe Frankfurt erhalten haben. Bis 2011 setzte ich auf die Software Scala, aber dann gab es ein Problem, und zwar Anforderungen, die immer weiter gestiegen sind.

Bilder von der Installation des Audi Infotainment im Audi Forum Ingolstadt (2008)
Bilder von der Installation des Audi Infotainment im Audi Forum Ingolstadt (2008) (Bild: Audi AG)

Nehmen wir als Beispiel die Ausstattung des Audi driving experience center in Neuburg, das 2014 in Betrieb ging (siehe Projektbericht). Bei diesem Projekt durfte ich vom ersten Spatenstich an dabei sein. Die damaligen Anforderungen hören sich heute einfach an: 3D wie im Kino, Auflösungen bis 8K, Digital Signage und Event-Technik auf einmal plus damit verbundene Gebäudesteuerung. Dies zur damaligen Zeit mit klassischen Produkten? Schwer finanzierbar. Die 3D-Monitore waren teure Unikate. Die Software ließ ich dann entwickeln und definierte jede Anforderung. Ich hatte immer das Glück, exzellente Entwicklungspartner zu haben. Nur Optimisten stemmen so ein Projekt.

Im Jahr 2017 wechselte ich dann in den Bereich Mitarbeiterinformation. Hier habe ich vor allem Konzepte entwickelt, wie Digital Signage einfach bedienbar wird. Dabei sollte es maximale Kundenfreundlichkeit bieten und kostengünstig sein. Ein großer Teil dieser Konzepte befindet sich noch heute in der Umsetzung und wird von meinem Nachfolger betreut. Außerdem haben wir für die Werksführungskinos in Ingolstadt ein System geschaffen, das ein wenig wie die Tagesschau der ARD funktioniert: Der Referent steht am Pult und klickt die Inhalte für das Publikum zielgruppengerecht zusammen, so dass eine individuelle Präsentation entstehen kann.

2014: 16er 3D-Wall im Kundencenter des Audi driving experience center Neuburg
2014: 16er 3D-Wall im Kundencenter des Audi driving experience center Neuburg (Bild: Audi AG)

Welche Stellung hat für dich Digital Signage im Unternehmen?

Grundsätzlich ist Digital Signage ein Werkzeug wie viele andere auch, das sich an einigen Stellen aber sehr gewinnbringend einsetzen lässt. Entstanden ist die Idee für die Verwendung von Digital Signage immer in der gemeinsamen Arbeit mit Kolleginnen und Kollegen aus den einzelnen Fachbereichen. Zusammen haben wir dann für die Umsetzung geworben und das ist uns glücklicherweise häufig gelungen. Bei Audi haben wir Digital Signage aber nie nur eingesetzt. Wir haben es auch immer weiterentwickelt. Dies hängt wohl auch mit dem Spirit zusammen, der die Marke Audi ausmacht.

Welche zukünftigen Trends siehst du in der Digital-Signage-Branche?

Ich habe über die Jahre viele Meinungsbildner bei Digital Signage kennengelernt und mich mit ihnen ausgetauscht. Viele Spezialisten lamentieren, dass Digital Signage nicht richtig verstanden wird. Ich glaube hingegen, dass viele, die Digital Signage entwickeln, den Markt nicht ausreichend lesen können: Wenn der Kunde ein Produkt sieht, seine Sinne angesprochen werden, er das Produkt erlebt und schließlich kauft, dann ist das eine Prozesskette, die die individuellen Bedürfnisse in den Mittelpunkt stellt. Digital Signage ist dabei nur ein Werkzeug von mehreren.

Digital Signage wird künftig Schnittstellen entwickeln müssen, beispielsweise, um Geräte in einer Inszenierung zu steuern (Internet of Things, IoT) und ein Element des Multichanneling zu sein. Mutichanneling ist das Verknüpfen von Digital-Signage-, Web- und Smartphone-Interaktionen. So entsteht eine komplette Customer Journey. Und die Reise wird weiter gehen: Schon klopfen künstliche Intelligenz und Virtual Reality an die Tür. Die nächste Welle ist im Anmarsch.

Bei Audi gehst du jetzt in den wohlverdienten Ruhestand. Wie wir dich kennen, steckst du aber noch voller Ideen – wirst du an einigen weiterarbeiten?

Auf jeden Fall. 2008 habe ich mit Gedanken über eine Zukunft für Soft- und Hardware für Digital Signage begonnen. Ein Ergebnis davon war die Software-Hardware-Kombination im Audi driving experience center. Ich konnte in Neuburg etwa 5 Prozent meiner Vorstellungen realisieren. Derzeit arbeite ich nebenbei am Rest. Unter anderem werde ich mit dem Rasberry Pi und Arduino herumspielen, weil man damit coole IoT-Steuerungen bauen kann, die sonst viel Geld kosten würden. Ich denke, dass ich Digital Signage auch in Zukunft auf die eine oder andere Weise fördern kann.

Vielen Dank für das ausführliche Gespräch. Ich und das gesamte MM-Musik-Media- Verlag-Team wünschen dir einen ruhelosen Ruhestand, die Umsetzung deiner Projektideen, aber auch mehr Zeit für die Familie und vor allem Gesundheit.

 


(Aus Professional System 06/2018) / (6117)

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