Markt: Managed Services in der Praxis

Der Kunde steht im Mittelpunkt

Im Zuge der Digitalisierung ist auch die Form der technischen Dienstleistungen nach einer AV-Systemintegration im Wandel: Sind Kundendienst, Wartung, & Co. von AV-Fachunternehmen noch zeitgemäß, oder werden diese Services künftig von IT-Dienstleistern erledigt? PROFESSIONAL-SYSTEM-Autor Helmut Burmeier hat dazu Fachleute aus AV und IT befragt …

Arbeitsplatz der Zukunft Videokonferenz Schreibtisch(Bild: Bechtle)

Inhalt dieses Business-Artikels:

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Kundendienst, Reparatur, Instandhaltung, Wartungsverträge – für große Teile der medientechnischen Branche sind das die Begrifflichkeiten, mit denen die unterschiedlichsten technischen Dienstleistungen nach der Installation beschrieben werden. Ist diese Form des Service noch zeitgemäß, oder steht zu befürchten, dass die professionelle IT-Dienstleistung den AV-Bereich über kurz oder lang mit vereinnahmt? Unser Autor Helmut Burmeier hat sich im Gespräch mit Johannes Stehr (AVI-SPL GmbH), Jörg Öynhausen (Bechtle Onsite Services GmbH), Erik Wolff (ICT AG), Siegfried Herrmann (macom GmbH) und Alex Blatterspiel (mevis.tv GmbH) auf die Suche nach Antworten begeben.

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Auslagerung von IT-Infrastruktur

Bereits in den 80er-Jahren begannen Großkonzerne damit, den Betrieb der eigenen IT-Infrastruktur und damit verbundene Prozesse auf spezialisierte Dienstleister auszulagern. Outsourcing war als Begrifflichkeit in diesem Umfeld plötzlich in aller Munde. In den letzten 20 Jahren hat sich die IT-Dienstleistung immer weiter standarisiert. Das gipfelt in Managed Services, dem Rundum-Sorglos-Paketen für die Kunden. Im IT-Umfeld wird über Managed Services nicht geredet, die entsprechenden Dienstleistungen werden selbstverständlich bereits seit Jahren genutzt.

So hat Bechtle, einer der größten IT-Dienstleister im deutschsprachigen Raum, bereits vor Jahren die strategische Bedeutung dieses Themas durch Gründung eines eigenständigen Unternehmens innerhalb der Firmengruppe unterstrichen. Die Bechtle Onsite Service GmbH mit 1.500 Mitarbeitern ist ausschließlich in Managed Services tätig. Dazu Jörg Öynhausen: „Wir verstehen unter Managed Services hauptsächlich Infrastruktur-Services im Rahmen längerfristiger Outtaskingoder Outsourcing-Verträge. Unser Portfolio umfasst hierbei die klassischen Services im Bereich Netzwerk, Rechenzentrum, Client und Applikationsbetrieb sowie auch neue Services auf Basis von übergreifenden Service Level Agreements wie zum Beispiel für Industrie-4.0-Clients oder flexible Lösungen wie „Office 365 as a Service“. Managed Services werden für unsere Kunden immer wichtiger: Professionelle Service-Erbringung auf Basis sicherer Infrastrukturlösungen und der Geschäftsprozesse liefert in Verbindung mit einer langfristigen Ausrichtung und Strategie viele Mehrwerte.“

Jörg Öynhausen, Bechtle Onsite Services GmbH
Jörg Öynhausen, Bechtle Onsite Services GmbH (Bild: Bechtle)

Im IT-Umfeld umfasst der Begriff Client alle Endgeräte, welche in Netzwerke eingebunden sind. Neben den PCs sind das die unterschiedlichsten Peripheriegeräte. Heute werden aber auch Besucherleitsysteme, Konferenzraumbetrieb, Sicherheitsüberwachung oder Zugangskontrollsysteme in der Regel über das Unternehmensnetzwerk betrieben. Aus Sicht des IT Managed Service handelt es sich damit um spezifische Clients, welche problemlos mit betreut werden könnten.

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„Managed Services“ in der AV-Branche

Siegfried Herrmann bringt die aktuelle Situation der AV-Branche auf den Punkt: „Im Augenblick übernehmen wir sehr viele Prozesse und Vorgehensweisen aus der IT. Die AV-Branche ist in den Bereichen Service allgemein und Managed Service dort, wo die IT-Branche vor zehn oder mehr Jahren stand. Herrmann weiter: „ ‚Schuster, bleib bei Deinen Leisten‘, nach diesem Motto agiert leider immer noch ein großer Teil der AV-Branche. Als Berater mit dem größten unabhängigen AV-Expertenpool in Europa definieren wir gemeinsam mit unseren Kunden im AV-Umfeld die passgenauen Lösungen. Diese basieren auf bewährten Qualitätsstandards der IT, gepaart mit absoluter Herstellerneutralität.“ In einem Teilbereich der AV, bei Videokonferenzsystemen (VC) und Unified Communications & Collaboration (UCC), haben sich Managed Services vergleichsweise früh etabliert. In der Mehrzahl der Fälle geht es dabei um eine überschaubare Zahl von Räumen mit sehr hoher Bedeutung (Konferenzräume des Top-Managements). Auf Seiten der Nutzer haben die Verantwortlichen Jobtitel wie „Head of Conferencing Service“, „Collaboration Service Manager“ oder „Global Video Conferencing Lead“.

Mit der zunehmenden Bedeutung von Unified Communications & Collaboration (UCC) haben sich in diesem Umfeld die Video Network Operations Center (VNOC) etabliert. Als Teil einer weltweit operierenden Gruppe ist AVI-SPL auf diesem Gebiet besonders engagiert. Johannes Stehr: „Mit unserer eigenen, patentierten VNOC-Plattform Symphony überwachen und verwalten wir sowohl AV- als auch UC-Geräte sowie ganze Meetingräume und können so agieren, bevor es zu wirklichen Ausfällen kommt. Symphony liefert interaktive und dynamische Analysen und macht Systemzustandsprüfungen.“

24/-IT-Support: Bechtle Remote Control Center
24/-IT-Support: Bechtle Remote Control Center (Bild: Bechtle)

„Probleme lösen, bevor sie zu Fehlern werden“, unter dieser Überschrift bietet mevis.tv bereits seit zwei Jahren Managed Service für Medientechnik an. Alex Blatterspiel: „Im Jahr 2017 haben wir uns entschieden, den Bereich Managed Services & Operations als zusätzliches Standbein mit strategischer Bedeutung für unser Unternehmen aufzubauen. Getrieben hat uns dabei die Überzeugung, dass die Unternehmen viel mehr am störungsfreien Betrieb eines Konferenzraumes und dessen sinnvollen Nutzung als an der eigentlichen Errichtung interessiert sind. Managed Service & Operations ist eine eigenständige Organisation innerhalb von mevis.tv. Sowohl strukturell als auch personell haben wir diese von der Installation getrennt. Mit dem mNOC (mevis Network Operation Center) haben wir dazu ein eigenes VNOC und ein eigenes Ticketsystem, welches direkt mit dem Warenwirtschaftssystem verbunden ist, geschaffen.“

Bezüglich Managed Services sieht sich ICT innerhalb der AV-Branche auch weit vorne. Erik Wolff: „Für ICT bedeutet das, Erbringung definierter Dienstleistungen mit klaren Verfügbarkeiten und Reaktionszeiten. Kunden sind bei uns ganze Konferenzzentren, einzelne Showräume und Retail Stores. Darunter sind so bekannte Marken wie Mercedes, BMW, Porsche, Deutsche Telekom und Microsoft.“

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Überschneidungen mit der IT

Der Entscheider auf Seiten der Kunden kommt nach Meinung der meisten Gesprächsteilnehmer fast immer aus dem IT-Umfeld. Dazu Siegfried Herrmann: „Durch den zunehmenden Übergang der Betriebsverantwortung der AV-Anlagen in die Unternehmens-IT ist unser Hauptansprechpartner in der Regel der ITLeiter/ CIO im Unternehmen bzw. die entsprechenden Managementfunktionen in der IT. Für uns ist es wichtig, dass wir dort die Sprache dieser Kunden sprechen und deren Wünsche verstehen.“ Alex Blatterspiel ergänzt um einen positiven Aspekt: „Die Entscheider aus dem IT-Umfeld kommen häufig von sich aus auf Managed Service zu sprechen. Für uns ist es dann wesentlich einfacher, den Kunden für dieses Thema zu gewinnen.“

Siegfried Herrmann, macom GmbH
Siegfried Herrmann, macom GmbH (Bild: macom)

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Typische Kunden

Die Mehrzahl der Gesprächspartner sieht den Kunden für Managed Service bei den Konzernen und den großen Mittelständlern in der jeweiligen Region. Für Johannes Stehr zeichnet sich der typische Kunde für Managed Service so aus: „AV- und UC-Technologien sind heute für die Erreichung der Unternehmensziele unerlässlich geworden. Die Kunden wünschen einfache, skalierbare und wartungsfähige Umgebungen, die die Überwachung ihrer zum Teil sehr aufwendigen Technologie rund um die Uhr ermöglicht – um dann auswertbare Informationen über die unterstützende Collaboration-Technologie zu erhalten.“ Auf eine eher ungewöhnliche Erfahrung verweist Alex Blatterspiel: „Einen der ersten Verträge mit genau definierten Service Level Agreements (SLA) haben wir mit einem Kunden abgeschlossen, bei dem die Installation durch einen Mitbewerber von uns gemacht wurde.“ Im IT-Umfeld sind es häufig die Wünsche der Kunden, die Service-Konzepte und die damit verbundenen Prozesse auf Seiten der Anbieter in bestimmte Richtungen bewegen.

mNOC (mevis Network Operation Center)
Mit dem mNOC (mevis Network Operation Center) verfügt mevis.tv über ein eigenes VNOC und ein eigenes Ticketsystem, das direkt mit dem Warenwirtschaftssystem verbunden ist. (Bild: mevis.tv)

Jörg Öynhausen: „Wir arbeiten mit zahlreichen Kunden unterschiedlichster Größe und Branchen zusammen. Allen gemeinsam ist, dass sie nicht mehr nur eine Lösung für das technische Risiko eines Services erwarten, sondern auch finanzielle Sicherheit. Das bedeutet, Lösungen sollen idealerweise nur noch so bezahlt werden, wie sie vom Kunden tatsächlich genutzt werden. Dieser Wunsch wird unabhängig von der Komplexitätsstufe der Services immer häufiger geäußert. Absolute Voraussetzung einer Beauftragung ist natürlich, dass die Services sicher – im Sinne von Datensicherheit, Viren-/Zugriffsschutz und Stabilität – erbracht werden und die kundenspezifischen Besonderheiten berücksichtigt werden. Mit unserem Modell standardisierter Services in Kombination mit kundenspezifischen Teams, verschiedenen Competence Centern und der regionaler Nähe durch unsere rund 70 IT-Systemhäuser können wir den genannten Anforderungen sehr gut entsprechen. Bechtle schafft damit den Spagat zwischen IT-Konzern mit Standards und mittelständischem IT-Dienstleister mit kundenspezifischer Ausrichtung.“

Alex Blatterspiel, mevis.tv
Alex Blatterspiel, mevis.tv (Bild: mevis.tv)

Alex Blatterspiel zu Erwartungen und zum Profil des typischen Kunden: „Schnellste Problembewältigung durch einen professionellen Dienstleister, der das hält, was er verspricht. Ab einer Größenordnung von 20 Meetingräumen wird Managed Service interessant.“

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Werkzeuge

„Wichtig für das SLA-Management sind Monitoring-Werkzeuge zur Überwachung der Infrastruktur sowie Service-Management-Systeme, die meist auf dem IT-Betriebsstandard ITIL beruhen“, konstatiert Jörg Öynhausen, „Hinzu kommen spezielle Applikationen der Hersteller zum Management der Dienste und Systeme.“ Beispiele für herstellerspezifische Systeme sind Crestron Fusion oder Extron GVE (Global Viewer Enterprise).

Die Service-Steuerung einschließlich Ticketsystem mit direkter Anbindung an das ERP-System (Enterprise Resource Planning System) stellt sich in diesem Zusammenhang als komplexes Thema dar. Interessanterweise setzen hierbei sowohl Bechtle mit dem Bechtle Point of Service (BPoS) als auch macom und mevis.tv auf eigene Entwicklungen, welche zumeist auf Open-Source-Lösungen basieren. Für die Umsetzung von Managed Service ist ein eigener Helpdesk als Anlaufstelle (per Telefon/Mail) für Kunden unabdingbar. Abhängig von den angebotenen SLAs ergeben sich die Anforderungen für die Erreichbarkeit. Die an dieser Gesprächsrunde beteiligten Unternehmen bieten alle einen 24/7-Helpdesk (24 Stunden an 7 Tagen der Woche).

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Zunehmende Akzeptanz

Langjährige Erfahrung mit Managed Service kommt in der Einschätzung von Jörg Öynhausen zum Ausdruck: „Wir sind davon überzeugt, dass jeder Service, der zur Wertschöpfung beim Kunden beiträgt oder Geschäftsprozesse des Kunden ermöglicht bzw. vereinfacht, in Zukunft noch wichtiger wird. Dazu zählen immer häufiger auch Collaboration-Tools, Präsentationstechniken und weitere Lösungen im AV-Bereich“ Öynhausen betont dabei: „Wichtig ist hierbei, dass die audiovisuellen Lösungen gleichermaßen professionell, sicher, flexibel und verlässlich betrieben werden, wie es die Kunden von PCs, Telefonie und Netzwerk bereits gewohnt sind. Der moderne digitale Arbeitsplatz bringt einen Zuwachs an verschiedensten Lösungen im AV-Bereich mit sich. Spracheingabe, Gestensteuerung und Datenbrillen sind keine Zukunftstechnologien mehr, sondern immer häufiger schon gelebte Praxis.“

Erik Wolff, ICT AG
Erik Wolff, ICT AG (Bild: ICT AG)

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Herausforderungen für Anbieter im professionellen AV-Umfeld

Kurz und prägnant ist die Einschätzung von Erik Wolff: „Wer mit ITIL bzw. ISO 20000 nichts anfangen kann, ist über kurz oder lang raus aus dem Geschäft. Wer nicht in vier Stunden vor Ort bei seinem Kunden ist, bekommt ein Problem.“ Mit seiner grundsätzlichen Einschätzung der Marktentwicklung kommt Siegfried Herrmann zu einer ähnlichen Bewertung: „Die Investitionen, die die Unternehmen in Kommunikation und AV-Technologie tätigen, werden laut allen Prognosen weiterwachsen. Der Weg, dass diese Technologien über professionelle Strukturen und Tools gemanagt werden müssen, ist klar vorgegeben. Hier werden mehr und mehr die gewachsenen und bewährten Strukturen und Vorgehensweisen der IT-Welt zum Einsatz kommen. Aus diesem Grund sehen wir für diesen Bereich ein hohes quantitatives und qualitatives Wachstumspotenzial. Viele neue Projekte kommen auf uns zu, und auch viele bereits jetzt bestehende Systeme müssen in Zukunft deutlich besser betrieben werden. Managed Services sind ein zentraler Erfolgsfaktor in dieser Kette.“

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Fazit

Auf Seiten der Nutzer setzt sich immer mehr die Überzeugung durch, dass jegliche Technik, welche im Unternehmensnetzwerk integriert ist, in die Hände des IT-Verantwortlichen gehört. Dieser trägt somit die Verantwortung für den reibungslosen Betrieb. Damit werden sich über kurz oder lang auch Anforderungen, Strukturen und Abläufe der professionellen AV an den bewährten Prozessen und Standards der IT-Dienstleistungen orientieren.

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Dante AV Header
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Mit den umfassenden Hardware- und Softwarelösungen der Dante AV-Familie können OEM-Produzenten leistungsstarke, vernetzte Videogeräte herstellen. Dante AV ermöglicht dabei eine erweiterte Interoperabilität und Steuerung.

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