Audio: Upgrade der Beschallungstechnik

Neue Beschallung und Dante-Netzwerk im Berliner Olympiastadion

Die 2004 installierte Beschallung im Berliner Olympiastadion hat im letzten Sommer ein Upgrade bekommen. Neben neuen Komponenten in den Electro-Voice Line-Arrays ist vor allem der Austausch aller Verstärker durch Dynacord IPX-Endstufen und die redundante Vernetzung per Dante spannend.

Berliner Olympiastadion(Bild: Helmut Seidl/ Bosch Sicherheitssysteme GmbH)

 

Anzeige


Inhalt dieser Case-Study:


Läuft man von der S-Bahn-Haltestelle auf das Olympiastadion zu, wird es mit jedem Schritt imposanter. Es beschleicht einen eine unangenehme Gänsehaut, fühlt man sich doch an die Anfangszeit dieses fast schon martialischen Bauwerks zu den Olympischen Sommerspielen 1936 zurückerinnert. Doch seit dieser Zeit hat sich viel verändert, und nach zwei Sanierungen in den 70er-Jahren und von 2000 bis 2004 hat sich das Berliner Olympiastadion zu einer modernen Sport- und Veranstaltungsstätte mit knapp 75.000 Personen Fassungsvermögen entwickelt und in seiner Laufbahn Sporthistorie geschrieben wie kaum ein anderes Stadion. Jetzt, nach nun 15 Jahren seit der letzten Sanierung, wurde es noch mal Zeit für ein kleines „Technik-Lifting“.

Um PROFESSIONAL SYSTEM vor Ort auf den neusten Stand zu bringen und die technischen Upgrades zu begutachten, hat sich unser Redakteur Sven Schuhen mit Frank Neubauer, dem Technischen Leiter, und Christoph Meyer, dem Direktor Veranstaltungen & Kommunikation des Olympiastadions, sowie Fredi Palm (Sales Manager und Application Consultant ProSound Germany) und Helmut Seidl (Building Technologies/Marketing Communications) der beiden Marken Electro-Voice und Dynacord im Stadion getroffen.

>> zurück zur Übersicht

Übersicht über das Upgrade

Gestartet wurde in den Büros von Frank Neubauer und Christoph Meyer, die sich über dem Besucherzentrum in einem kleinen Nebengebäude am Haupteingang auf der Ostseite befinden. Die Modernisierung begann erst im Juni und bot lediglich ein schmales Zeitfenster. Durch fünf Konzertveranstaltungen in den zwei Sanierungsmonaten, die eine voll funktionierende Stadionbeschallung aus Sicherheitsgründen notwendig machten, wurde das Projekt nicht einfacher. „Obwohl über unsere Stadionbeschallung neben den üblichen Sprachdurchsagen auch viel Musik wiedergegeben wird, sind wir schon 2004 als bestklingendes Stadion bewertet worden“, erklärt Frank Neubauer. Diese Bewertung galt es nach der Modernisierung natürlich aufrechtzuerhalten. „Wir und das Management sind mit dem Ergebnis sehr zufrieden“, führt Neubauer weiter aus.

Berliner Olympiastadion(Bild: Sven Schuhen)

In erster Linie wurde die komplette Verstärkerstruktur entfernt, die aus insgesamt 87 Electro-Voice P-1200RL sowie P-3000RL bestand, und durch 64 neue 4-Kanal-Digital- Verstärker der Dynacord IPX-Serie ersetzt. Für diese wurde außerdem eigens eine redundante Netzwerk-Infrastruktur für die Übertragung digitaler Audiodaten auf Dante-Basis sowie OSC (Open Sound Control)-Daten zur Echtzeit- Steuerung und -Überwachung der Hardware aufgebaut. Dante und OSC vereint Bosch in seiner Omneo-Technologie. Im Übrigen stellte die Installation der IPX-Verstärker im Berliner Olympiastadion eine Weltpremiere dar – mittlerweile gibt es weitere Stadien, die ein Upgrade auf die neue Verstärkerserie bekommen haben.

Dynacord IPX10:4-Endstufen

Dynacord IPX10:4-Endstufen
Die neuen Dynacord IPX10:4-Endstufen sind in Schaltschränken im Dach des Stadions untergebracht. Da hier schon die alten Endstufen verbaut waren, von den neuen aber weniger nötig waren, die von ihren Maßen her auch noch deutlich kleiner ausfallen, sind die Schaltschränke etwas luftiger geworden. Die vorhandene Klimatisierung der Schränke wäre mit den neuen Endstufen nicht mehr notwendig. Im linken Bild sind noch eine digitale Stagebox von Soundcraft und Funkempfänger von Sennheiser zu sehen, die für Moderation und Durchsagen vom Spielfeld genutzt werden. (Bild: Helmut Seidl/ Bosch Sicherheitssysteme GmbH)

Neben den neuen Verstärkern wurden auch die Lautsprecher überarbeitet. Die 170 seit 2004 vorhandenen Electro-Voice XLC-Lautsprecher, die in 19 Line-Arrays im Stadiondach angeordnet sind, wurden hierzu demontiert und komplett entkernt. Da die XLC-Version mit ihrem Nachfolger, der DVX-Version, baugleich ist, konnten die für das Olympiastadion speziell angepassten Gehäuseanordnungen beibehalten werden. Doch innerhalb der Box sind sie komplett neu. Neu ist auch, dass die verbauten Treiber nun nicht mehr 2-Wege aktiv, sondern 3-Wege aktiv angesteuert werden. Das hat zufolge, dass aus ehemals 152 Verstärkerkanälen nun 228 Kanäle geworden sind. Die Lautsprecher sind in 38 Beschallungszonen unterteilt, so dass nach Bedarf sehr gezielt akustische Informationen vermittelt werden können. Ein weiterer positiver Effekt des Upgrades: Durch die bessere Ansteuerung der Treiber und der höheren Effizienz des gesamten Systems ist bei gleicher Lautstärke nun keine zusätzliche, temporäre Nahfeldbeschallung der unteren Ränge mehr notwendig. Zu den genannten Lautsprechern und Verstärkern kommen je nach Bedarf noch weitere für eine Spielfeldbeschallung hinzu. Wie bei den Verstärkern haben auch bei den Lautsprechern andere Stadien ebenfalls bereits ein Upgrade auf die DVX-Version bekommen.

Line-Arrays Berliner Olympiastadion
Aus dem Stadion sind die weißen Line-Arrays kaum zu erkennen. Die über dem Zuschauerraum gespannten weißen Netze tragen zu der beeindruckenden Architektur der Berliner Sportstätte bei. (Bild: Sven Schuhen)

Ergänzend zur Beschallung hat das Olympiastadion auch seine LED-Screens überarbeitet. Zusätzlich zum Austausch der beiden bisher vorhandenen Wände kam noch ein dritter, etwas größerer Screen hinzu. Bei den Typen hat man sich für Expromo Screens im 16:9- Format mit 10 mm PixelPitch entschieden. Die komplette LED-Fläche beträgt nun 300 m2 mit mehr als ein Drittel höherer Helligkeit. Die beiden kleineren Screens besitzen nach dem Update nun eine Auflösung von 1.200 x 680 Pixeln, der neue hat 1.560 x 880 Pixel.

Berliner Olympiastadion(Bild: Helmut Seidl/ Bosch Sicherheitssysteme GmbH)

>> zurück zur Übersicht

Ein Blick in die Regie

Nach dem Warm-up im Büro ging es zu einer Stadionführung, bei der – ganz im Sinne des Denkmalschutzes – moderne Sanierung mit Architektur der 70er-Jahre sowie Relikten der späten 30er-Jahre harmoniert. Und gerade Letztere lassen diese Anfangs erwähnte unangenehme Gänsehaut erneut aufkommen. Wesentlich wohler fühlt man sich da doch in einem modernen Regieraum, wie dem des Olympiastadions, bei dem das Technikerherz sofort höherschlägt.

Zahlreiche Bildschirme zeigen Kamerabilder aus dem Stadion, Fernsehbilder, Testmuster oder Inhalte, die für Einspieler vorbereitet wurden; weitere geben Statusinformationen wieder oder zeigen in Browserfenstern Internetseiten. Ein Bildschirm ist der Überwachung der Beschallungsanlage vorbehalten. Über die IRISNet- Software lassen sich nahezu sämtliche Parameter der IPX-Endstufen auslesen und ständig verfolgen. Für das Stadion wurde die völlig frei gestaltbare Programmoberfläche auf die Bedürfnisse vor Ort angepasst. Über eine schematische Grafik des Stadions lassen sich die jeweiligen Sektionen, die entsprechend farblich unterschieden werden, im Schnellzugriff auswählen, kontrollieren und bei Bedarf bearbeiten.

Die einzelnen Endstufen sind hier den jeweiligen Line-Arrays und den im Dach verteilten Schaltschränken zugeordnet. Den Raum domminieren eine riesige digitale Soundcraft VI3000 Tonkonsole und der Videomischer von Blackmagic Design.

Die zwei Ebenen des Regieraums werden von Schaltschränken unterteilt, die vollgepackt sind mit Technik. Hier finden sich Motor-Controller für die Kettenzüge im Stadiondach, Glasfaser- und SDI-Patchfelder für die Übergabe unterschiedlichster Signale an diverse Stellen im Stadion – vor allem für die TV-Kameras, Konverter, Zuspieler, Bildprozessoren und Aufzeichnungsgeräte von Blackmagic Design sowie Serversysteme und die obligatorische USV. Darüber hinaus liegen in den Racks jede Menge Splitter und Formatwandler für SDI-Signale. Ein weiteres Rack beinhaltet die Display Controller (Redundant ausgeführt), Scankonverter und Überwachungshardware für die Expromo LEDScreens. Doch ein Rack fällt auf, weil es auffallend spärlich bestückt ist. Fredi Palm erklärt dazu, dass dieses vor der Modernisierung der Tontechnik noch voll war mit Signalverteilung, Patchfeldern, Soundprozessoren, CAN-Bus Verkabelung, Optocore Systemen und auch einigen Endstufen sowie zusätzlicher Hardware für die Anbindung des Audiosystems an die Sprachalarmierungsanlage. Jetzt sind hierzu nur noch zwei Electro-Voice NetMax N8000 System Controller auf jeweils 2 HE notwendig, die zur Signalverwaltung und -verteilung sowie als Schnittstelle zur Sprachalarmierungsanlage dienen – das gesamte DSP-Processing findet hingegen in den Endstufen statt.

Zahlreiche Bildschirme versorgen die Regie mit vielerlei Informationen. Neben Live-Bildern aus dem Stadion, Einspielungen und Fernsehbildern gibt es auch allerhand Statusinformationen der Komponenten im Stadion. Elementar ist dabei der Monitor unter der Decke, der dem IRIS-Net zugeordnet ist und sich um das Überwachen und Steuern der IPX-Endstufen kümmert. Ein Soundcraft VI3000 Digitalmixer (rechtes Foto) kümmert sich um die Tonmischung, und ein Videomischer von Blackmagicdesign (mittleres Foto) übernimmt alle Bild-Aufgaben.

Zwei NetMax N8000-Einheiten sind es deswegen, um damit die Dante-Redundanz zu gewährleisten. Die NetMax (Networked Matrix System) System Controller können jeweils 32 Audiokanäle verwalten. Zusätzlich sind im Rack noch zwei Cisco SG350-10 10-Port Gigabit Managed Switche, ebenfalls wegen der Redundanz als Paar vorhanden, die die NetMax- Controller mit der Soundcraft-Konsole verknüpfen. Eine Dynacord IPX10.4-Endstufe lässt sich weit oben im Rack noch entdecken, die als Reserve dient und für allerlei Sonderaufgaben bereitsteht. Die übrigen Verstärkerracks, die sich nahe den Lautsprechern im Dach des Stadions befinden, werden aus der Regie mit Glasfaser – ebenfalls redundant – über SFP-Module an den Cisco-Switchen angebunden. Für den Notfall fristet auch noch eine Rackblende mit wenigen analogen In- und Outputs ein einsames Dasein im großen Rack. Kaum sichtbar sorgt eine USV im Ernstfall noch für einen Puffer bei der Spannungsversorgung der wenigen Geräte in diesem Schrank.

Wie bereits erwähnt besteht der Regieraum aus zwei Ebenen – die untere, direkt an den Scheiben zum Stadion gelegene ist der hauseigenen Stadiontechnik vorbehalten und wird für alle Arten von Sport- und Kulturveranstaltungen genutzt. Aber nicht für alle Arten von Sportveranstaltungen, denn im Berliner Olympiastadion ist der Berliner Fußballverein Hertha Berlin zwar zu Hause, jedoch streng genommen auch nur ein Gast von vielen. Daher greift die Hertha bei ihren Spielen auf eine nahezu komplett autarke Bild- und Tonregie zurück. Diese ist dann in der zweiten, oberen Ebene untergebracht und beinhaltet ein separates Videomischpult und Prozessing-, Aufzeichnungs- und Wiedergabegeräte von Blackmagic sowie ein digitales Yamaha Tonmischpult, welches auf die Dante-Infrastruktur des Stadions zugreift.

>> zurück zur Übersicht

Kletterpartie ins Dach

Aus dem Technikhimmel der Stadionregie ging es anschließend durch ein Labyrinth aus Gängen über eine Leiter am Tribünenrand ins Dach des Berliner Olympiastadions. Wer hier die langen und schmalen Catwalks im Dach entlanggehen möchte, braucht definitiv ein höhenfestes Gemüt, denn unter einem nimmt der Abstand zum Boden bei jedem Schritt mit abfallender Tribüne zu, und auch der Catwalk zum inneren Oval des Dachs hat eine gewisse Steigung. Die weißen Netze, die zwischen der Trägerkonstruktion gespannt sind und die untere Ebene des Daches vom Zuschauer trennen, seien begehbar, erklärt Christoph Meyer und beschreibt witzelnd das Dach des Stadions als größtes Trampolin der Welt. Dennoch ist eine Sicherung beim Begehen der Netze für Wartungsarbeiten Pflicht. Was die Wartungsteams jedoch hin und wieder nicht davon abhält, mal einen federnden Sprung zu wagen.

Die IRIS-Net-Software erlaubt eine frei konfigurierbare Nutzeroberfläche, die mit einer Grafik des Stadions hinterlegt wurde und somit einfachen Zugriff auf die verschiedenen Beschallungszonen bis hin zu einzelnen Endstufen bietet. Entsprechend gruppiert zu den einzelnen Line-Arrays und Schaltschränken im Dach ist eine genaue Überwachung und Fehleranalyse bei Bedarf sehr einfach möglich.

Schon auf dem Gang über die Gitterroste des Catwalks fallen die weißen Electro-Voice Lautsprecher-Konstruktionen auf, die aus dem Zuschauerraum durch die weißen Netze kaum wahrzunehmen waren. Durch ihre Befestigung wurde ein optimales Curving erzielt, mit dem in Kombination aller Arrays jeder Platz im Stadion erreicht werden kann – dank des Upgrades von XLC auf DVX auch noch effizienter als vorher. Die Verstärker sind in klimatisierten Schaltschränken im inneren Zirkel des Stadiondachs untergebracht. Geöffnet bieten die großen Schränke allerdings kein spektakuläres Bild. Denn auch wie bereits in der Regie festgestellt, benötigen die neuen digitalen Endstufen bei gleicher Leistung trotz höherer Kanalanzahl viel weniger Raum. Helmut Seidl führt dazu aus: „Eigentlich wäre mit den Dynacord IPX-Endstufen eine Klimatisierung der Racks in dieser Form nicht mehr notwendig. Früher waren die Racks voll mit Endstufen, die allesamt ordentlich Wärme produziert haben. Mit den neuen Endstufen ist das nicht mehr der Fall.“

Line-Arrays Berliner Olympiastadion
Die Line-Arrays sind sehr genau auf den Zuschauerbereich ausgerichtet. Mit dem Upgrade auf die baugleiche DVX-Bestückung können die Besucher nun noch gezielter adressiert werden. Insgesamt sind 19 Line-Arrays im Berliner Olympiastadion verbaut. (Bild: Sven Schuhen)

>> zurück zur Übersicht


//[7652]

Anzeige

Kommentar zu diesem Artikel

Pingbacks

  1. Test: Achtkanal DSP-Endstufe Dynacord IPX10:8 – 20kW auf 2HE | Professional System

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.