Sounddesigner Ramon De Marco

Sounddesign für Soundmasking: Klangräume gestalten

Ansatz für das Gespräch mit Ramon De Marco von der Schweizer Firma Idee und Klang war die Fragestellung, welche Gestaltungsmöglichkeiten es beim Soundmasking geben kann, um eine angenehme Klangkulisse mit den gewünschten Maskierungseffekten im Großraumbüro zu schaffen. Darüber hinaus kamen auch noch andere interessante Aspekte zur Sprache …

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(Bild: Christiane Bangert)

Räume klanglich zu gestalten, dies gehört schon lange zum Arbeitsgebiet von „Idee und Klang“ – das Audio-Studio mit Sitz in Basel (CH) arbeitet weltweit an entsprechenden Projekten. Dabei geht es weniger um die raumakustische Gestaltung, sondern vielmehr um die Schaffung umfassender akustischer Raumkonzepte, in der Raum und Elektroakustik zusammen eine auditive Umgebung schaffen. Akustik wird dabei gestalterisch begriffen, die Klanggestaltung als Erweiterung der Architektur gesehen.

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Ein Mittel ist die „Akusmatische Raum-Orchestrierung“. In aller Kürze geht es darum, einem Raum – ob in einer Ausstellung, einer Firmenzentrale, einer künstlerischen Multimedia-Installation oder einem Großraumbüro – mit unterschiedlichen Lautsprechern, Positionen und Signalen eine Klangarchitektur zu verleihen. Analog zur Architektur geht es dabei nicht darum, dass alles gleich ist, sondern der jeweilige Bereich seiner Nutzung und Gestaltung entsprechend wirkt und man sich durch einen Raum wie durch eine Klanglandschaft bewegt.

Dieser Ansatz ist für Großraumbüros aus verschiedenen Gründen interessant: Es werden zusätzliche Klänge in einen Raum eingebracht, die zur Maskierung störender Geräusche beitragen können. Die Klänge dienen dazu, eine akustisch angenehme Atmosphäre zu schaffen; sie sind daher vielleicht willkommener als ein Rauschsignal. Und es lassen sich Bereiche mit unterschiedlicher Funktion wie Arbeitsplätze, Treffpunkte, Kaffee-Ecken auch entsprechend unterschiedlich gestalten.

Welche Vorteile entstehen durch den Ansatz der Akusmatischen Raum-Orchestrierung im Gegensatz zu anderen raumgestalterischen elektroakustischen Systemen? Und wie lässt sich dies in einem Großraumbüro einsetzen? Diese Fragen und mehr erörterte PROFESSIONAL SYSTEM Autorin Christiane Bangert im folgenden Gespräch mit Ramon De Marco, Mitgründer der Idee und Klang GmbH:

Klanglandschaften statt Einheitsbrei

Welche Vorteile siehst du im Ansatz der Akusmatischen Raum-Orchestrierung?

Ein entscheidender Vorteil ist, dass es keinen Sweetspot im Raum gibt. Es ist schon vom Ansatz her nicht das Ziel, überall im Raum dasselbe zu hören. Deshalb wurde der Begriff Akusmatische Raum-Orchestrierung gewählt: Der Raum wird mit verschiedenen Klangfarben orchestriert. Dadurch entstehen Klanglandschaften, durch die man sich hindurchbewegen kann und dabei immer eine andere Perspektive auf das Klanggeschehen bekommt.

Der Grundgedanke ist mit einem Lichtkonzept für die Architektur vergleichbar. Da flutet man auch nicht den Raum mit einem riesigen Scheinwerfer oder nur Neonlicht an der Decke, sondern überlegt genau, an welcher Stelle des Raums die Architektur ausgeleuchtet wird und bezieht z. B. das Tageslicht mit in das Konzept ein. Genau das setzen wir akustisch um. Dabei geht es in einer Ausstellung um eine andere Situation als im Kino. Im Kino sitzt der Zuschauer auf seinem Sessel, bewegt sich nicht in einem Raum. Der Zuschauer vorne links soll dasselbe hören wie der hinten rechts. Das ist gerade bei unserer Arbeit nicht der Fall, man soll z. B. in einer Ausstellung am Anfang etwas anderes hören als am Ende.

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„Klanglabor“ bei Idee und Klang (Bild: Christiane Bangert)

Ist das auch der Ansatz bei der Überlegung, wie man Soundmasking anders gestalten kann als mit einer gleichmäßigen Beschallung, z. B. mit Rauschen?

Es gibt dabei mehrere Aspekte. Einer ist, nicht – böse gesagt – monophon zu berieseln, beschallen, berauschen, sondern auch da den Raum mit einem Sound-Konzept zu orchestrieren. Unterschiedliche Klangstrukturen an den verschiedenen Positionen entsprechen der natürlichen Art, Klang zu erleben, sowohl in der Natur als auch in der Stadt. Klänge werden aus unterschiedlichen Richtungen wahrgenommen, nicht an jedem Punkt ist das Gleiche zu hören. Der zweite Aspekt ist der Inhalt, die Klänge, mit denen beschallt wird. Unser Ansatz ist hier, uns an die Funktionsweise von Naturklängen anzulehnen, aber nicht Naturklänge zu spielen.

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Bei der Akusmatischen Raum- Orchestrierung können ganz unterschiedliche Lautsprecher zum Einsatz kommen (Bild: Christiane Bangert)

Vogelgezwitscher z. B. ist im Großraumbüro vielleicht nicht die Geräuschkulisse, die Mitarbeiter positiv bewerten. Die Lebendigkeit im Klang, die ständigen Veränderungen des Klangbildes in der Natur ist aber ein guter Anknüpfungspunkt. Selbst ein Wasserfall, der sehr rauschhaft ist, verändert sich stetig ein bisschen und variiert abhängig vom Wetter und der Tageszeit. Die Übertragung dieser Veränderlichkeit auf das Soundmasking ist das Ziel. Ein weiterer Aspekt ist der Bezug zum Ort. Die Maskierungs-Geräusche sollten etwas zu tun haben mit der Architektur, der Materialität und eben vielleicht auch mit dem Standort des Bürogebäudes. Bei einem Großraumbüro z. B. hier in Basel am Rhein könnte man von einer Glasfassade mit Blick auf eine Brücke eher verkehrsanmutende Geräusche einspielen, vom Rhein her Wassergeräusche. So lässt sich unbewusst eine Orientierung schaffen.

Nun gibt es ja viele der „normalen“ Umgebungsgeräusche, die man mit viel Aufwand – Schallschutzfenstern, leisen Klimaanlagen etc. – auszublenden versucht …

Es geht um das bewusste Gestalten und sich eben nicht mit dem zu begnügen, was da ist. Natürlich macht es keinen Sinn, z. B. Verkehrsgeräusche eins zu eins in den Raum zu übertragen. Aber vielleicht kann man sich ein Klangdesign vorstellen, das einen Bezug hat zum Verkehr. Weil z. B. die Bewegungsmuster ähnlich sind, obwohl es keine Verkehrsgeräusche sind. Es müssen ja auch nicht unbedingt Wassergeräusche sein. Aber vielleicht haben die Klänge von ihrer chaotischen Struktur her etwas zu tun mit Wassergeräuschen.

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Der Firmensitz von Idee und Klang ist auf dem ehemaligen Fabrik – gelände Gundelfinger Feld in Basel (Bild: Christiane Bangert)

Das Äußere wird eher als Anknüpfungspunkt genommen.

Genau, so wie es bei Fenstern auch ist: Das Wetter draußen wird wahrgenommen, auch wenn während der Arbeit nicht bewusst aus dem Fenster geschaut wird. Die akustische Atmosphäre kann auch einen solchen Bezug schaffen, nicht nur zum Äußeren. Das Innere ist genauso zu berücksichtigen – die Materialität, die Formgebung, die verschiedenen Bereiche – bei der Entscheidung, wie es klingt. Diese Gesichtspunkte spielen bei der raum – akustischen Gestaltung ja auch eine Rolle. Es geht nicht nur um Formeln und Richtwerte, sondern um Überlegungen, wie der Raum klingen soll und warum. Eigentlich sind das ähnliche Überlegungen meiner Meinung nach.

Planungsaspekte

Welches Vorgehen hältst du für richtig, wenn es um den Entwurf eines Soundmasking- Systems geht?

Es bedarf sicher einer intensiven Analysephase, um die verschiedenen Aspekte des Arbeitsklimas zu untersuchen: Art der Firma, Standort, Architektur, Materialität, welche Aktivitäten finden wo zu welchem Zeitpunkt statt etc. Alle Variablen sind zu berücksichtigen. Eine schwierige Frage ist, inwieweit man das Personal involviert. Und eine entscheidende. Wahrscheinlich ist es sinnvoll, einen Psychologen mit ins Boot zu nehmen und einen Probeaufbau zu machen, um das Ganze eins zu eins zu testen. Wichtig ist, dass alle Bereiche – Arbeitsplätze und auch andere Zonen – erreicht werden. Die gleichmäßige Schallverteilung ist aber nicht das A und O. Es ist natürlicher, wenn es nicht überall gleich klingt.

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Ramon De Marco (Bild: Christiane Bangert)

Vielleicht wird man sich bewusst für klanglich unterschiedliche Zonen entscheiden. Verschiedene Klangszenarien in Abhängigkeit von der Tageszeit können ebenfalls sinnvoll sein. Es kann auch noch ganz andere Bedürfnisse geben. Es gibt viele verschiedene Aspekte bei der Maskierung und einige sind noch nicht wirklich erforscht, z. B. die Frage, welche Frequenzspektren am besten die Konsonanten maskieren, die für das Verstehen von Sprache elementar sind, und gleichzeitig möglichst wenig stören. Es fehlen auch Langzeitstudien darüber, welche Klänge auf Dauer welche Wirkung auf das Arbeitsverhalten zeigen. Schlussendlich geht es ja nicht nur um die Maskierung unerwünschter Klänge, sondern auch um die Schaffung einer Arbeitsumgebung, in der sich die Mitarbeiter natürlich verhalten und effizient arbeiten können. Es gibt da noch einigen Forschungsbedarf.

Vielen Dank für das Gespräch!

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